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Umgang der Medien mit Schülern und Angehörigen in Haltern

Haltern am See: Hört auf, Trauernde zu filmen und Schüler für Geld zu interviewen
Haltern am See: Medien, Hört auf,Kinder für Interviews mit Geld zu bestechen und Haltern vom Trauern abzuhalten!

This article is now also available in EnglishCost What It May: How Media Is Treating Students And Relatives Of Plane Crash Victims

Zu Beginn ein kleiner Hinweis: Ich selbst bin Schüler am Joseph-König-Gymnasium, kannte beide Lehrerinnen sowie einige der SchülerInnen, die bei dem Flugzeugabsturz am 24. März in Südfrankreich ums Leben kamen. Im Folgenden versuche ich, die Gedanken vieler Schüler sowie der Angehörigen einiger Familien mit eigenen Erfahrungen zusammenzufassen. Weder war ich der allerbeste Freund eines der Opfer noch möchte ich ein Vertreter für alle Schüler sein. Doch das hier ist das, was viele über die fragwürdigen Methoden erfahren mussten, mit denen ich sprach: Egal ob auf Seite der Angehörigen (Eltern / Geschwisterkinder) oder der der Mittrauernden (Schüler / Angereiste aus anderen Städten). Im Prinzip ist das hier schon fast die Nachhut der medienkritischen Beiträge; viele Institutionen veröffentlichten bereits ihre Kritik an der penetranten und pietätlosen Berichterstattung (Etwa der Deutsche Journalisten-Verband oder der BILDblog). Dennoch finde ich wichtig, dass auch aus dem Inneren eine Meinung an die Öffentlichkeit kommt: Liebe Konsumenten von Klatschblättern oder einigen TV-Sendern, suchen sie sich neue Berichterstatter!

Liebe Sensations-Journalisten,

haben sie schon einmal auf einen Schlag viele ihrer Freunde, Bekannte oder sogar Verwandte verloren? Nein? Bei der Berichterstattung einiger Medien merkt man das. Und gerade jenen Pressevertretern möchte ich raten, sich einmal zu überlegen, wie sie sich bei dem letzten Todesfall in der Familie gefühlt haben. Was würden sie wohl machen, wenn ihre große Trauer von einem noch größeren Aufgebot von Kameras gefilmt wird?

In den letzten Tagen ist so viel passiert, wurde so viel geredet, gab es so viele Gerüchte. Das alles fügt sich zu einem großen Ganzen zusammen. Und dieses ist aus Sicht vieler vollkommen widerlich. Ganz abgesehen von der Tat des Co-Piloten, die ich hier vollkommen außen vor lassen möchte (ich war nicht in der Lage, mich ausreichend über neue Untersuchungsergebnisse zu informieren), sowie dem Tod der anderen Passagiere, gibt es hier großen Aufklärungsbedarf für die konsumierende Menge. Denn, in einem Satz zusammengefasst: Die Berichterstattung in Haltern war nicht in Ordnung.

Fange ich einmal chronologisch an: Dienstag, 13:05. Durchsage von unserem Schulleiter: Alle sollen nach Hause gehen, es sei etwas passiert, die verfrühte Beendigung des Unterrichts sei kein Grund zur Freude. Schon vorher wussten einige, was unter Umständen passiert sein könnte. Immerhin stand etwa das Datum des Spanien-Austausches in den Schulnachrichten, einige Schüler nutzen ja bekanntlich das Smartphone auch im Unterricht. Und es war auch bekannt, dass der Flieger in Düsseldorf landen sollte. Zusammen mit der Ankunftszeit des Fliegers konnte man – wie in der Pressekonferenz am Mittwoch gesagt wurde – nur darauf hoffen, dass die Schüler den Flieger nicht erreichten oder ein weiteres Flugzeug zur ähnlichen Zeit flog. Der erste Journalist vor Ort kam von der örtlichen Presse, gegen 13:40 stand die Halterner Zeitung vor der Tür. Durch die physikalische Nähe vollkommen legitim. Ich selbst verließ als einer der letzten Schüler gegen 14:00 das Schulgelände, bei insgesamt 2 oder 3 Pressevertretern – wie gesagt, eine öffentliche Bestätigung gab es nicht, die Berichterstattung ließ aber fast keinen Zweifel zu. Zuhause wurde dann eine Runde Twitter gecheckt: Die ersten „großen Player“, die tatsächlich Haltern vermuteten, waren Bild (zumindest unter #Haltern) und Sat1. Der Startschuss um das beste Bild ging also um spätestens 14:30 los. Doof, dass ich mich bei Twitter beteiligte: Ein anonymer Anruf auf dem Haustelefon. Und schwupps, hat die Bild angerufen. Ob ich denn etwas erzählen könne, wie es mir gehe und in welchem Verhältnis ich zu den Opfern stehe. Nun ja, da wurde wohl einfach mal gegoogelt und ein Impressum ausgegraben, in dem man seine Nummer im Normalfall angeben sollte. Einerseits clever, andererseits perfide. Weitere Infos gab es für das Klatschblatt natürlich nicht.

Vorher: Journalisten mit Teleobjektiven für Nahaufnahmen
Vorher: Journalisten mit Teleobjektiven für Nahaufnahmen
Nachher: Trauernde schützen Trauernde durch eine menschliche Blockade
Nachher: Trauernde schützen Trauernde durch eine menschliche Blockade

Um 17:30 (wieder an der Schule) ging dann das an einen Zoo erinnernde Schauspiel los: Die Presse hinter ihren Absperrungen begaffte uns Schüler – vergleichbar mit exotischen Tieren im Tierpark und neugierigen Besuchern. Trotz einer immer noch fehlenden 100%igen Bestätigung des Todes gab es bereits jede Menge Tränen. Wir fühlten uns, als würde die Presse nur auf unsere Reaktion zur endgültigen Affirmation warten, um zerstörte Menschen abzufilmen.

Schon fast zurückhaltend, dennoch deutlich zu erkennende Trauernde. Das Gesicht wurde nachträglich zensiert.
Schon fast zurückhaltend, dennoch deutlich zu erkennende Trauernde. Das Gesicht wurde nachträglich zensiert.

Und was machen die Medien? Großaufnahmen von Leidtragenden! Bild, Sat1, Ruptly, alle mit dabei. Ich selbst hatte keine Zeit, viele passende Fotos und Videos zur Beweisführung heraus zu suchen. Doch wer sich mit den News aus Haltern aktiv beschäftigt hat, wird einige Fotos gesehen haben – Halterner können sich auf jeden Fall wiedererkennen. Deshalb gab es dann eine Art Selbsthilfe, um zumindest die Arbeit zu erschweren. Mithilfe einer kleinen Menschenmauer wurden die Medien so belagert, dass keine ordentlichen Aufnahmen gemacht werden konnten. Die Absperrung am Dienstag lag noch etwas näher an der Treppe als die am Mittwoch, daher gab es noch einmal besseres Bildmaterial für die Presse respektive die TV-Sender. Bei dem Schutzversuch der Trauernden an dieser Stelle mal ein herzliches Dankeschön an H, K, J, S und natürlich auch den Rest, die mit ihrem Rücken die Sicht versperrten. Vorbildlich verhielt sich anfangs N24. Mit einem kleinen Abstand von etwa 4 Metern zur eigentlichen Grenze (die oft bis zum letzten Zentimeter genutzt wurde) war die Berichterstattung genauso gegenwärtig für das Publikum vor der Mattscheibe, dabei aber deutlich weniger störend für die Anwesenden. Aber auch die ersten schwarzen Schafe taten sich auf: Eine Journalistin meinte, sich freche Sprüche gegenüber uns leisten zu müssen. Sie wurde mit 2-3 Leuten bestraft, die sich vor die Kamera stellten und jede Aufnahme unmöglich machten. Hilfe zur Selbsthilfe. Gegen Abend kamen dann die ersten Witzbolde an, die direkt bis zu den Trauernden gingen. Mit den Kameras direkt an den Grabkerzen und einer immer noch großen Menge Betroffener. Kein Kommentar nötig.

Haltern am See. Medienaufgebot am 25.03. vor dem Joseph-König-Gymnasium
Haltern am See. Medienaufgebot am 25.03. vor dem Joseph-König-Gymnasium
Dutzende Übertragungswagen blockierten die Bushaltestelle des Schulzentrums.
Dutzende Übertragungswagen blockierten die Bushaltestelle des Schulzentrums.

Mittwochmorgen kam es dann zum Höhepunkt des Wahnsinns. Die Absperrung, um etwa 5 Meter nach hinten verschoben, war komplett von Redakteuren gefüllt (siehe Foto). Es war vorher abzusehen, dass das Medienaufgebot hoch sein werden wird. Doch wie viele nun tatsächlich da waren, überraschte alle. In der Regel wird der Ort, an dem die Journalisten standen, komplett mit Fahrrädern der Schüler gefüllt. Keiner wird nachgezählt haben, aber der Eindruck des oben genannten Zoos verstärkte sich noch. An die Verstorbenen gedenken konnte so im Prinzip niemand wirklich. Sie können ja einfach mal mit den Gedanken spielen: Man wird von allen Winkeln beobachtet und soll seinen Gefühlen freien Lauf lassen. Wer nicht genügend Imagination besitzt, um sich das vorzustellen, hier ein kleiner Hinweis: Geht nicht. Den Schülern bot sich zwar die Möglichkeit, auch in der Aula zu trauern. Doch die Stimmung an im Freien ohne eine räumliche Enge war für viele angenehmer, außerdem konnten (und können immer noch) Kerzen abgestellt werden. Eltern von Schülern blieben generell außen vor und mussten in der Regel draußen bleiben.

Full-House bei der Pressekonferenz im neuen Rathaus. Schulleiter Wessel wird von Journalisten an die Wand getrieben.
Full-House bei der Pressekonferenz im neuen Rathaus. Schulleiter Wessel wird von Journalisten an die Wand getrieben.

Nachher bei der Pressekonferenz im neuen Rathaus kam die Frage auf, wie denn das Medienaufgebot den Trauernden helfen könne. „Wie wichtig ist es, dass die Medien in diesem Maße auch aus so vielen Ländern berichten?“ Sylvia Löhrmann sagte sinngemäß, dass es für die Angehörigen wichtig sei, zu sehen, wie stark das Leid geteilt werde. Sie sprach desweiteren darüber, dass die Schüler ihren geschützten Raum brauchen, um die Situation zu verarbeiten. Doch wenn wir schon auf dem Weg zur Schule gefilmt und befragt werden, gehen wir schon mit einer Vorbelastung in die Klassenräume und wir können definitiv nicht so mit der Situation umgehen, wie es eigentlich sein sollte.

Reicht es denn nicht theoretisch, wenn nur 4 Kameras vor Ort sind? Etwa die ARD für die ersten, zweiten und dritten Programme, die dpa sowie Reuters für private Sender und die Lokalzeitung? Das Bildmaterial hinter der Absperrung ist im Prinzip das Gleiche – und hier kommt dann aberdas unbeschreiblich Böse ins Spiel.

Geld für Bilder aus der Schule und Interviews – Geht’s noch?

Laut einem Seelsorger soll sich sogar ein Journalist mit einer Notfallseelsorger-Warnweste unter die Schüler gemischt haben. Ich glaube, dazu braucht man überhaupt nichts sagen, das ist einfach nur sehr traurig. Allgemein scheint es wohl auch Personen gegeben haben, die mit dem Stereorekorder in der Tasche zu den Kerzen herantraten, um Gespräche aufzuzeichnen; Handykameras unter einem Strauß Blumen sollen für Exklusivbilder genutzt worden sein. Eine Person sollte wohl versucht haben, sich als Lehrer zu verkleiden – nur doof, dass man bei einer solch kleinen Schule das Kollegium (etwa 80 Lehrer) kennt. Auf so eine schlechte Idee muss man erst einmal kommen.

Würde die Sensationshascherei dort wenigstens aufhören. Aber nein. Geld für Interviews oder Aufzeichnungen der Gespräche in den ersten Stunden des Mittwochs wurden ebenfalls geboten. Das besthonorierte vor-Ort-Interview wäre wohl bei etwa 80€ dotiert gewesen, soweit ich weiß, gab es auch Einladungen zu Talkshows mit höheren Vergütungen. Diese Interviewanfragen gingen aber nicht immer an halbwegs reife Personen aus der Oberstufe, sondern auch an unschuldige Seelen aus den Klassen 5-7. Mit 10-13 Jahren alten Personen solche Deals zu machen, ist nicht mehr fragwürdig, sondern grenzt an krimineller Energie. Es hat einen guten Grund, warum es Vormünder gibt. Doch diese konnten hier leider nicht eingreifen. Mit vorne dabei: Natürlich die Bild-Zeitung. Nachher will es natürlich wieder keiner gewesen sein, Herr Diekmann. Ärgerlich, dass es hier leider keine handfesten Beweise gibt. Dabei hatte mir ihr Mitarbeiter am Telefon doch eigentlich noch gesagt, dass die Zeitung seriös arbeiten möchte und Persönlichkeitsrechte geschützt werden würden.

Ich möchte an dieser Stelle an einige Paragrafen des Pressekodex erinnern, der in der Regel zumindest den Berichtenden bekannt sein sollte. Für alle anderen: Hierbei handelt es sich um publizistische Grundsätze, die die Berufsethik der Arbeit eines jeden leiten sollen. Bei der Beantragung eines Presseausweises stimmt man der Einhaltung der Paragrafen zu – durch meine Tätigkeit bei verschiedenen Webseiten habe auch ich einen Presseausweis und dadurch auch diese Grundsätze unterschrieben.

4. Grenzen der Recherche

Bei der Beschaffung von personenbezogenen Daten, Nachrichten, Informationsmaterial und Bildern dürfen keine unlauteren Methoden angewandt werden.

Die Bestechung zur Heranschaffung von neuen Infos ist skrupellos und zeugt von schlechtem Geschmack.

8. Persönlichkeitsrechte

Die Presse achtet das Privatleben des Menschen und seine informationelle Selbstbestimmung. Ist aber sein Verhalten von öffentlichem Interesse, so kann es in der Presse erörtert werden. Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung.

Bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung. Großaufnahmen von Trauernden sind für mich äußerst identifizierend. Und bei den Schlagzeilen einiger Medien nicht von einer reißerischen Überschrift zu sprechen, wäre heuchlerisch. Ein Bild der bereits verheirateten Spanischlehrerin am Mittwochmorgen auf der Webseite der Bild (relativ schnell wieder gelöscht, aber es war sichtbar)  gab es ebenfalls zu sehen. Leider habe ich keinen Screenshot vorliegen. Zu dem Punkt des Privatlebens komme ich später noch einmal, auch da gibt es einige Stories, die erzählt werden müssen.

11. Sensationsberichterstattung und Jugendschutz

Die Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid. Die Presse beachtet den Jugendschutz.

Vom Leid sprachen wir bereits. Da muss nichts weiteres hinzugefügt werden. Zum Teil Jugendschutz ist an sich nur der zu sehende / hörende Teil gemeint; etwa dass FSK-Freigaben beachtet werden müssen. Doch zum Jugendschutz gehört auch, dass bei der Erstellung von Material mit Minderjährigen ein richtiger Umgang unbedingt nötig ist.

Dauernde Berichterstattung macht es nicht besser

Markus Preiss (ARD) während einer Liveschaltung aus Haltern.
Markus Preiss (ARD) während einer Liveschaltung aus Haltern.

Wenn alle 5 Minuten der gleiche Experte sagt, dass es keine neuen Infos gibt, dann sollte man sich überlegen, ob man vielleicht aus 10 Stunden Sondersendung 2 Stunden macht. Gibt das wirklich so gute Quoten, N24? Der gleiche Einspieler, die gleiche Behauptung, das gleiche Gerücht – Wie oft hat Steffen Schwarzkopf sich wiederholen müssen, nur um die Sendung zu füllen? Er hat wortgewandt mit immer neuen Formulierungen das exakt identische gesagt. Das zeugt von einem gut ausgebildeten Berichterstatter, macht auf der anderen Seite aber auch die Verzweiflung der Produktionsleiter deutlich, für die die Sendung weitergehen muss. Wer ein Interview gab oder auch nur kurz mit einem Berichterstatter sprach, wurde direkt von einer großen Meute belagert. Ob man den anderen auch Infos geben könne, und sei es auch nur eine kurze Beschreibung der aktuellen Gefühlslage. Jeder Leser dieses Textes darf sich nun kurz überlegen, wie man sich nach dem Tod von seinen Freunden fühlt.

Ob ein Kondolenzschreiben wie dieses an die Öffentlichkeit gehört?
Ob ein Kondolenzschreiben wie dieses an die Öffentlichkeit gehört?

In der Halterner Sixtus-Kirche durfte nicht gefilmt werden – das hinderte die Redakteure vom Focus nicht daran, eine Nachricht im Kondolenzbuch zu kopieren und zu veröffentlichen. Moment, für wen waren Kondolenzbücher noch einmal gedacht? Sicherlich nicht für die breite Öffentlichkeit. Wäre es eine Trauer um alle Verstorbenen, gäbe es sicherlich wenig Einspruch. Doch die zitierte Stelle ist eindeutig an eine einzige Person gerichtet; durch den genutzten Ausschnitt des Textes ist auch der Kurs eindeutig identifizierbar, der dieses Schreiben hinterließ. Auch interessant sind die Medien, die erst in der ersten Reihe stehen und sich nachher zurückziehen. Begründung: „Wir wollen den Schülern ihren Raum zum Trauern lassen“. Aber warum kommen sie dann überhaupt am ersten Tag direkt zur Schule und bleiben nicht fern?! Diese gespaltene Zunge war in den letzten Tagen häufig zu sehen, zu lesen und zu hören.

Das unverschämteste aber war, dass einige Reporter im Kreis standen und lauthals anfingen zu lachen. Einer von ihnen hüpfte herum. Es war weder Respekt noch Anteilnahme zu spüren. Lauthals los zu lachen, zwanzig Meter entfernt von vielen Trauernden, finde ich unmenschlich(…) – Zitat einer Mitschülerin

Belästigung der Familien über alle Kanäle

Die Schule, die Kirche sowie das Rathaus waren in den letzten Tagen die Hauptspielplätze der Presse. Doch Bild, Bunte, Spiegel TV (sprich RTL) sowie zwei englisch sprechende Französinnen ließen sich nicht beirren und klingelten tatsächlich an die Türen einiger betroffener Familien. Wie war das noch einmal mit dem Pressekodex, Paragraf 8? Durch zusätzliche Anrufe – immer mit unterdrückter Rufnummer – stellte sich bei den Betroffenen zum Teil ein Angstzustand mit der Angst, verfolgt zu werden, ein. Dabei waren die Anrufe nicht nur an normalen Zeiten, auch mitten in der Nacht soll es geklingelt haben. Ein Telefonat soll besonders krank gewesen sein. Ein scheinbar junges Mädchen rief bei einer der Opferfamilien an. Das Gespräch ist an dieser Stelle sinngemäß nachgebildet:

„Hallo, ich komme aus der Stufe unter  [der verstorbenen Person]. Mir tut das so leid.“

„Also aus der neunten?“

„Ja, ich glaube schon. Wann ist der Trauergottesdienst?“

Ekelhaft. Wie grässlich es sein muss, mit tiefstem Schmerz auch noch Angst vor heuchlerisch-freundlicher Presse vor dem eigenen Heim, dem Rückzugsort, haben zu müssen.. Doch die Familien selbst reichen den Voyeuren ja auch nicht: Die Bild ging noch weiter und suchte nach Personen, die auf den Facebook-Profilbildern der Verstorbenen markiert waren. Und wurden leider auch fündig. Diese skrupellose, unseriöse Gruppe von Journalisten macht angeblich nur ihren Job – diese Ausrede hörten wir in den letzten Tagen so oft. Doch ihr Job kann auch anders erledigt werden. Das sieht man bei den Öffentlich-Rechtlichen Programmen. Keine Spekulation, keine Hetzjagd auf Angehörige, keine Interviews gegen Geld – und doch gab es exakt die gleichen Informationen. Wieder mein Appell an diese pietätlose Randgruppe von Journalisten:  Was wäre, wenn sie ein Betroffener sein würden?

Was glauben sie Leser, wie erleichtert wir uns fühlten, als am Donnerstagabend zum ersten Mal seit Dienstag keine Journalisten mehr hinter uns standen und uns ablichteten. Die Stimmung änderte sich; die angespannte Atmosphäre wich einer angemessenen Befindlichkeit.

Eine Redaktion, die sich anscheinend selbst nicht kennt

Dieser Herr von SpiegelTV kannte nicht einmal seine Kollegen.
Dieser Herr von SpiegelTV kannte nicht einmal seine Kollegen.

Ich erwähnte ja bereits, dass die Team von SpiegelTV an der Tür mindestens eines der Opfer klingelte. Nun ja, am Samstag war dann einer des Teams an der Schule und machte Filmaufnahmen von den Kerzen sowie der Trauernden. Ich wies ihn darauf hin, dass die Flatterbandsperre auch für ihn gelten würde. Zuerst einsichtig ging er 5 Meter zurück, nur um dann wieder nach vorne zu treten und aus einem anderen Winkel zu filmen. Wow, was für eine Einsicht. Später sprachen wir noch einmal kurz miteinander. Was mich denn daran stören würde. Er hatte wohl schon wieder vergessen, dass er die Kamera auf einen der vielen abgelegten Briefe und Gedichte hielt. Schließlich machte er ja nur Aufnahmen vom Kerzenmeer.

Dann kam aber der Knüller: Die Frage, was er denn davon halten würde, dass seine Kollegen bei den Betroffenen zuhause waren, konnte er nicht beantworten. Das würde die Bild zwar machen (sic!), aber SpiegelTV eigentlich nicht. Da fallen einem nur zwei Lösungen ein: Entweder hatte der Kameramann einen Fall von akuter Demenz bei geringem Alter. Oder, ganz unwahrscheinlich, log er ja vielleicht einfach. Man weiß es nicht!

Dutzende Freundschaftsanfragen - auch bei nicht direkt Betroffenen.
Dutzende Freundschaftsanfragen nach dem Flugzeugunglück

Wofür die Medien eher weniger etwas können, sind die Freundschaftsanfragen bei den Betroffenen. Dutzende Fremde wollten symbolisch mit den Schwestern, Brüdern und Eltern befreundet sein – einfach nur, um es zu können. Dennoch: Jede Person, die nur ein Trauerbanner auf der eigenen Facebook-Seite hatte, bekam Anfragen. Ob dazwischen auch einige Redakteure waren? Mit Sicherheit. Viele werden Fakes gewesen sein, um etwa Beiträge von Trauernden lesen zu können.

Und der nächste Medienrummel kommt bestimmt

Beerdigungen, Trauermarsch, Jahresseelenamt: All diese Ereignisse stehen in der Kleinstadt Haltern noch an. Der 4. April steht bereits als Datum für den Trauermarsch fest, hier ist wieder mit einem großen Medienaufgebot zu rechnen. Die Hoffnung liegt auf der Anonymität der Masse: Vielleicht schaffen es die Vertreter ja, keine Nahaufnahmen zu machen.

Die noch anstehenden Veranstaltungen können von den Jornalisten genutzt werden, um zu zeigen, dass man auch ordentlich, mit Anstand und Würde über Angehörige und deren Trauer berichten kann. Wir Halterner würden uns auf jeden Fall über ein gemäßigtes Aufgebot an Kameras und weniger Einsatz von Vergrößerungsoptiken freuen.

Liebe Pressevertreter: Erinnern sie sich an die Versprechen, die einst bei der Entgegennahme des Presseausweises gegeben wurden. Zeigen sie, dass sie noch Scham und Mitgefühl empfinden. Versuchen sie nicht, das exklusivste Bildmaterial zu bekommen, koste es was es wolle.

Liebe Konsumenten von Bild, Bunte und Co.: Vermeiden sie, die reißerischen Neuigkeiten zu lesen. Seriöse Portale bieten bessere Infos, hetzen weniger und sind generell objektiver. Sie finanzieren als LeserInnen im Prinzip die Journalisten, die letzten Endes bei den Angehörigen vor der Haustüre stehen. Vielleicht ist die Zwangsabgabe an ARD, ZDF und die Dritten gar nicht so verkehrt.

 Wo Moral und Scham enden, beginnt der Journalismus.

Auch skrupellose Seitenbetreiber bei Facebook nutzten die Trauer, um für ihre Veranstaltungen möglichst viele Teilnehmer zu mobilisieren. Inzwischen 37.000 Personen nehmen am Event von "Kifferfakten" teil.
Auch skrupellose Seitenbetreiber bei Facebook nutzten die Trauer, um für ihre Veranstaltungen möglichst viele Teilnehmer zu mobilisieren. Inzwischen 37.000 Personen nehmen am Event von „Kifferfakten“ teil.

Disclaimer: Ich sprach am Dienstag kurz mit Channel5 sowie der ARD (Markus Preiss Dienstag und Jens Eberl Mittwoch-Freitag). Bei der Pressekonferenz am Mittwoch kam es zu einem kurzen Gespräch mit RTL. Dienstag rief die Bild-Zeitung an. Für Angaben mit konkretisierten Medien liegen zum Teil Screenshots und Links vor. Meine Quellen sind direkte Angehörige, fremde Trauernde, meine Freunde, Notfallseelsorger und Lehrer.

Update 1: Ich habe mit Richard Gutjahr über die Situation gesprochen. Hier das Video dazu:

Wer den Artikel gerne teilen möchte: Nutzen sie doch den Hashtag „#LasstHalternTrauern„. Dadurch kann man eine Übersicht bewahren, wie und wer es schon gelesen hat. Und ein Trendig Topic bei Twitter ist auch immer gut!

141 Antworten auf „Umgang der Medien mit Schülern und Angehörigen in Haltern“

[…] »Umgang der Medien mit Schülern und Angehörigen« (Mika Baumeister, 30.3.2015 – zur Einordnung: Mika Baumeister ist Schüler in Haltern am See) »Medien – Absturz – Ethik. Eine Kritik der Medienkritik.« (Alexander Filipovic, Netzwerk Medienethik, 27.3.2015) »Die verlorene Ehre der schreibenden Zunft« (Meike Lobo, »Frau Meike sagt«, 27.3.2015) »Witwenschütteln. Berichterstattung in Zeiten von BILD-Intelligenz« (Lilian Kura aka »Textzicke«, 27.3.2015) »Appell an die Chefredaktionen: Witwenschütteln – Das wollt Ihr alle nicht erleben« (Sandra Schink, Facebook/öffentlich zugängig, 26.3.2015) »Die Medien und der Absturz« (Bettina Schmieding, Deutschlandfunk, 26.3.2015) […]

Hallo Mika,
ich bin selbst Journalist und von der Berichterstattung der letzten Tage schlichtweg angewidert. Ich möchte nur eine (verschwindent kleine) Lanze für die Kollegen brechen, die vor Ort zu sehen und aktiv sind.

Viele von denen sind abhängig beschäftigt und sie haben kaum eine Wahl, ob sie diese Art von Berichterstattung machen. Das sie es tun, seht und erlebt ihr leider vor Ort. Es nicht zu tun gefährdet ihre Existenz, denn sie müssten mit Auftraggebern auf Konfrontation gehen.

Das habe ich selbst in einem Fall gewagt und dadurch wurde mir ein Arbeitsverhältnis gekündigt. Ich konnte es mir aufgrund von Rücklagen, die zu diesem Zeitpunkt vorhanden waren erlauben. Auf Dauer klappt es jedoch nicht.

Die Adressaten der DRINGEND notwendigen ethisch-moralischen Diskussion sitzen in den Chefredaktionen, auf den Sesseln der Blattmacher und in den TV-Stationen. Das darf nicht vergessen werden – und es rechtfertigt vor allem nicht, wie die Kollegen bei euch vorgegangen sind.

Ich kann nur hoffen, dass die Öffentlichkeit und Journalisten, die sich das leisten können auch in Zukunft Position gegen solche Art von Fehltritten machen. Nur Leser und Konsumenten der Information können abstrafen, was da verbrochen wurde. Leserbriefe, Kommentare, Eingaben beim Presserat – all das sind Mittel, die Gehör verschaffen, auch, wenn es mitunter dauert und das Problem nicht auffängt.

Euch allen in Haltern und allen direkt und indirekt Betroffenen wünsche ich viel Kraft für die Zeit danach.

Gruß aus Berlin

Alles nur Befehlsempfänger mit gebundenen Händen, die verhungern, wenn sie keinen Fünftklässlern Geld für Interviews anbieten. Ist angekommen. Schwamm drüber!

Haben Sie so natürlich gar nicht gesagt, logisch. Gehen Sie Ihre „kleine Lanze“ woanders brechen, ich tue selbiges nun auch (also brechen).

So habe ich das weder gesagt, noch würde ich das so vertreten. Die Masse, die in Haltern, Montabaur und in den Studios an dieser Blamage für den Journalismus mitarbeitet macht mir eher Angst.
Es gibt aber auch genug „wache“ Journalisten, die sich gegen dieses absolut unmenschliche Verhalten äußern und positionieren.

Im Ergebnis werden Sie von Bild-Leuten angefeindet und von kurzsichtigen Journalisten, die nur auf den eigenen Vorteil bedacht sind.
Ich verteidige nichts von dem, was da stattfindet.

Haltern und seine betroffenen Bürger wären gut damit beraten,

1. sämtliche Medien, die diese Form von Berichterstattung machen an den Presserat zu melden.

2. sollte ihr Bürgermeister / ihr Stadtparlament sämtliche Chefredaktionen anschreiben (öffentlicher Brief) und auf das Fehlverhalten hinweisen.

3. Leser können sich dem Kauf der Schund-Publikationen verwehren, die Titelseite und Innenteil mit reißerischer und menschenverachtender Schreibe füllen.

All das, wann immer sie sagen: „Jetzt haben wir Zeit und Kraft dafür.“

Ich glaube, speziell die Bild (hier aufgrund der Prominenz als Platzhalter verwendet) hängt sich die Rügen vom Presserat golden gerahmt in den Besprechungsraum. Es gibt meiner Laieneinschätzung nach nur wenig, was die weniger interessiert. Einen Brief vom Haltener Bürgermeister würde ich vielleicht dazuzählen.

Mit Drittens haben Sie recht. Dennoch bleibt der Adressat „der DRINGEND notwendigen ethisch-moralischen Diskussion“ immer auch zurecht derjenige, der den Bockmist tatsächlich baut. Wenn man dem erlaubt, die Verantwortung für sein eigenes Handeln dankend abzulehnen und auf den Chefredaktuer zu zeigen, zeigt der eventuell noch auf den Verleger und der sagt dann „Der Markt hat’s mir befohlen“ und spätestens dann ist wieder alles ok, weil der Markt hat ja immer Recht in unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.

Sie schreiben, die Berichterstatter hätten „keine Wahl“. Ich zweifle das an. Selbst wenn Journalismus jetzt der Berufszweig wäre, wo es ohne ein bisschen Witwenschütteln hier und da nicht geht (ist auch nur’n Job!), kann man immer noch dankbar umschulen.

Nur drauf hauen bringt nichts – erst, wenn sich eine Masse findet, die dafür Eintritt, das sowas nocht stattfinden darf entsteht auch genügend Druck auf die Verleger und Chefredaktionen.

Die Verleger erreichen Sie übrigens sehr gut über den Kauf-Boykott, sobald das eine spürbare Masse wird. Aber das ist ja nicht immer die Universallösung, denn das größte Schmierblatt hat leider auch die größten finanziellen Rücklagen.

Es geht auch nicht darum, einen sofort wirksamen Effekt erzielt zu haben. Für den Einzelnen und für die Gemeinschaft ist es aber wichtig, die Gegenposition zu vertreten. Sonst läuft es bei kommenden Unglücken erneut so ab.

Zum Thema „die Wahl haben“ schrieb ich in Beitrag eins, dass ich an dem Punkt stand und in der Konsequenz meinen Job verloren habe.

Fragen sie sich, wieviele unterschiedliche Medien sie vor Ort sehen und schnell ein Journalist lieber das tut, was die Chefredaktionen und Verlage akzeptieren, statt sich selbst im Einkommen zu gefährden.

Zum Thema Umschulung:
Ich bewundere ihren Optimismus zum Jobmarkt und wünsche ihnen alles Gute, wenn sie im Alter jenseits der 35 mit Familie an der ethisch-moralischen Berufsweggabelung stehen.

Es bleibt also dabei: Der Zweck heiligt die Mittel. Manchmal muss man 11-Jährigen Geld für zitierfähiges Material anbieten und einfach mal bei Hinterbliebenen klingeln, was die so rausschluchzen. Macht man alles nicht gerne, eigentlich nur unter Protest. Aber was anderes arbeiten kann man nicht und die Familie droht zu verhungern. Zum Glück trägt die Verantwortung für mein Handeln jemand anderes…

Sie behaupten, den Text von Herrn Baumeister verstanden zu haben und zeigen leider doch, wie sehr Sie zur Zielgruppe gehören.

Ich mag es nicht, dass sie mich in diese Ecke drängen. Wenn Sie sich an den Journalisten vor Ort abarbeiten oder nur diese in den Fokus der Kritik rücken, dann lösen sie das Problem nicht.

Ein ausgebildeter Journalist hätte den Pressekodex parat und wüsste, was Distanz ausmacht und hätte sich selbst schon einmal damit auseinandergesetzt.

Funktionierende und verantwortungsbewusste Chef-Redaktionen hätten interveniert und klare Grenzen der Berichterstattung gesetzt, wenn ihnen Material angeboten wird, was gegen den Pressekodex verstößt.

Leider merke ich, dass ich nicht zu ihnen durchdringe – aber das kann ich auch nicht erzwingen. Sie haben mit der Kritik auf der Vor-Ort Ebene absoolut recht. Das darf so nicht stattfinden.

Um es zu stoppen müssen sie aber nicht nur vor Ort ansetzen, sondern auch dort, wo ich das beschreibe.

Leider ist die Arbeits-Realität mit denen die Medienmacher konfrontiert sind eine, in der sie funktionieren sollen und keine eigene Meinung äußern dürfen. Schreit der Verlag nach Klickzahlen und Reichweite, dann hüpfen die Chefredaktionen (wenn dort schwache Charaktere sitzen), treten die freien Journalisten vor Ort und üben auf alle innerhalb des Systems Druck aus.

DAS stoppen Sie nur, wenn sie Chefredaktionen und Verlage ebenso behandeln, wie die Kollegen vor Ort. Eine klare, deutliche Absage an unmenschliches Verhalten.

Können Sie bitte zitieren, wo ich darstelle, dass „die Chef-Redaktionen“ alles richtig machen und nicht zu kritisieren sind?

Wenn das Ihr Punkt ist, seien Sie beruhigt: Der ist durchgedrungen. Er ist jetzt nur nicht so unglaublich interessant oder wichtig. Ich hielt es eher für sehr trivial, dass sich im beste Fall niemand wie ein Arschloch verhält.

Sie hingegen weisen in Ihrer kleinen Lanze und danach wiederholt darauf hin, dass die Journalisten vor Ort ja alles arme Hascherl sind, die „keine Wahl“ (ihre Wortwahl) haben. Das ist sicherlich unwahr.

Moralische Entscheidungen kann man nicht delegieren. Ich verstehe die Beweggründe, aus denen jemand versucht ein Interview mit einem Schülern zu bekommen, statt seine Klamotten zu packen und einen Bericht über den Kamp-Lintforter Kaninchenzüchterverein „Klopfer“ zu schreiben.
Ich halte Sie dennoch für falsch.

Es ist nicht nur die BLÖD, es sind nicht nur Focus & Co.
Auch die selbsternannten seriösen Medien wie ARD, ZDF publizieren einen falschen Namen des Co-Piloten. Daraus resultierend hat der betroffene Schweizer massive Probleme. Entschuldigung seitens der Sender ? FEHLANZEIGE
Ich lese mittlerweile keinen Artikel mehr und schalte bei jedweden Spots über die Tragödie um.

Mir sind IHR JOURNALISTEN EINFACHHEIT NUR NOCH ZUWIDER.

Man darf mich als Arschloch titulieren. Ich lache. Wenn mich km JOURNALIST tituliert benötigt er einen Notarztwagen.

Verständlicherweise ist Ihr Blick mMn von der inakzeptablen Art und Weise der Berichterstattung geprägt. Denn wie bereits erwähnt ist die grundsätzliche Forderung nach „emotionaler“ Berichterstattung für den einen gegeben und legitim für den anderen u.U. nicht. Das bedeutet, hier müssen beiden Seiten kompromissbereit sein.

Sie haben auch Recht das jeder Medienvertreter wie auch jeder Mensch immer die Wahl hat. Dagegen spricht auch nichts im Falle der betreffenden Reporter. Die haben sich eben bewusst entschieden über Trauer und Emotionen zu berichten, weil die Reporter selbst wie auch der „Markt“ diese Berichterstattung wünscht und benötigt. Das kann man anders sehen, ist jedoch wie auch Ihre Meinung zu akzeptieren.

Sie haben jedoch auch völlig recht, dass viele Reporter sich ebenso dafür entschieden haben, unlautere Methoden bei der Berichterstattung zu verwenden. Das ist nicht akzeptabel und auf das Schärfste zu kritisieren.

Aus meiner Sicht machen Sie es sich zu einfach, einem Journalisten eine Umschulung aufzuerlegen, weil er in einer sich verändernden Gesellschaft, mit sich verändernden Anforderungen, Erwartungen und medialem Interesse u.U. überfordert ist und seine Kompetenzen überschreitet. Ohne vorurteilsbehaftet sein zu wollen, kann ich mir vorstellen sie denken ähnliche über alteingesessenen erfahrenen (einst leidenschaftliche) Lehrer, die trotz (pseudo) Fortbildungen nicht mehr mit der sich sehr gravierend veränderten Sozialkompetenz der heutigen SchülerInnen klarkommen. Einfach mal eine Umschulung bringt es dort sicher auch, vielleicht zum/ zur KrankenpflegerIn.
Das Problem, denke ich, liegt darin, dass Sie offensichtlich keinen Schimmer vom eigentlichen Beruf des Journalisten haben und Ihre persönliche Meinung über alles andere Stellen ohne einen ehrlichen Blick über den Tellerrand Ihrer Ansichten zu werfen. Davon abgesehen habe ich diesen Schimmer ebenfalls nicht. Nur kann ich mir sehr gut vorstellen, das Journalisten ihren Job lieben und mit Leidenschaft ausfüllen und den Job nicht wechseln wollen. Möglichst ihren Job behalten wollen, um das zu machen, was sie antreibt.
Genauso wenig wie ich es dabei toleriere, dass ein überforderter Lehrer seine Grenzen und Kompetenzen überschreitet, gilt das natürlich auch für den Journalisten. Nur ist das nicht alleine ein Grund den Rest hinter der Arbeit dieses Menschen außer acht zu lassen und das ganze ohne die nötige Empathie zu betrachten.

Es gab lange Zeit „die grundsätzliche Forderung“ nach öffentlichen Hinrichtungen. Zum Glück war man da nicht kompromissbereit.

Ich meine damit nicht, dass in Haltern jemand hingerichtet wurde oder das Sie daran Freude hätten.

Das Bild soll darauf hinweisen, dass allein das Vorhandensein zweier Meinungen noch keine Notwendigkeit zum Kompromiss begründet. Sie hingegen schreiben: „Das _bedeutet_, hier müssen beiden Seiten kompromissbereit sein.“ Den Kausalschluss halte ich für falsch.

Ich bin auch gerne bereit einzugestehen, dass ich nicht kompromissbereit bin. „Berichterstattungspflicht“ (wie es beim WDR heißt) über Unglücke und Katastrophen? Ja. Berichterstattungspflicht über trauernde Menschen. Niemals. Mein Blick ist hier nicht geprägt von den aktuellen Geschehnissen sondern vom lebenslangen Erleben derartigen Medienverhaltens. Ich fand das schon immer verabscheuenswert.

Der Vergleich mit „öffentlichen Hinrichtungen“ ist mMn leicht überzogen und in diesem diskutierten Zusammenhang irreführend. Allein die Frage ob Hinrichtungen an sich als Strafe rechtlich und gesellschaftlich akzeptabel sind, stellt bereits eine eigene Diskussionsebene dar. Ihr Vergleichsversuch ergäbe meiner Ansicht eine größere Passung, wenn wir von einer Berichterstattungspflicht bei eventuellen „Hinrichtungen“ sprechen. Diese Frage könnte man dann u.U. sogar argumentativ auch auf Berichterstattungen von bloßen Gerichtsverhandlungen herunter brechen. Auch dort existieren verschieden Ansichten. Da wo Kompromisse nicht aus sich selbst heraus auf moralischer oder gesellschaftlicher Ebene gefunden werden können, wird dies dann in den meisten Fällen durch eine staatliche Instanz geregelt. Es ist in unserem aktuellen Fall zu hoffen, dass dies vielleicht auch der Fall sein wird, um bestimmte Grenzen bei der Berichterstattung zu ziehen.
Ihre Haltung zeigt dabei deutlich, dass es durchaus für den einen oder anderen Vertreter kompromisslose Sachverhalte gibt. Dies bedeutet jedoch eben nicht zwangsläufig, dass es keinen endgültigen Kompromiss geben kann/ muss.

Meiner Wahrnehmung nach vermischen Sie auch weiterhin die grundlegende Frage einer emotionalen Berichterstattung mit der derzeitigen teilweisen unangemessenen Durchführung der Berichterstattung, in dem Sie wiederum ausführen, dass Journalismus ohne „Witwen zu schütteln“ möglich sei. „Witwen schütteln“ = emotionale Berichterstattung. Die Meinung dabei gehen eben auseinander. U.U. besteht eben ein gesellschaftlicher Bedarf, den Sie legitimerweise nicht sehen. Dem Journalisten darf man deshalb mMn die Berichterstattung an sich nicht vorwerfen. Eine unangemessene Art und Weise durchaus. Das wird nun ja auch ausgiebig getan. Was ich befürworte. Es werden also die Journalisten für die Art und Weise der Berichterstattung kritisiert und nehmen diese Kritik auch an. Trotzdem bleibt es den Journalisten ebenfalls frei, sich zu dieser Kritik zu äußern. Die Reaktionen der Journalisten sind mindestens genau so wichtig für die Diskussion wie die Ausgangskritik an ihrem Verhalten. Wie Sie oder ich oder jemand anders damit umgehen, bleibt natürlich der jeweiligen Person selbst überlassen.

Ihre Aussage, dass man seinen Lebensunterhalt gänzlich ohne journalistische Arbeit verdienen kann, lasse ich mal als argumentativen Faux-pas so stehen. Das trifft so vermutlich auch für Lehrer, Krankenschwestern, Kindergärtnerinnen, Künstler, Profi-Bloggern, Internet-providern, und allen anderen Arbeitenden zu. Es gibt jedoch zum einen die Lust des Einzelnen auf diese Arbeiten und zum anderen den Bedarf an dieser Arbeit. Ich sehe jedenfalls ein Problem, wenn die oben genannten Jobs aufgrund Ihrer vereinfachten Darstellung ausstürben.

Entgegen Ihrer Meinung, dass die Journalisten das „Große Bild des Elends“ SUCHEN, bin ich der Überzeugung, dass das Große Elend (aufgrund der Verbindung zur Tragödie) leider bereits vorhanden war. Es wurde eben über dieses vorhandene Große Elend berichtet. Dies alleine rechtfertigt mMn keinen „Angriff“ auf die einzelnen Journalisten. Die teilweise Art und Weise dieser Berichterstattung schon. Aber da wiederhole ich mich.

Zusammenfassend zeigen Sie in Ihren Aussagen unmissverständlich, dass es für Sie ohnehin keine „anständigen“ Journalisten gibt. Zumindest interpretiere ich das aus Ihrer abschließenden Argumentation. Somit bin ich der Meinung, Sie müssen sich die Kritik gefallen lassen (und das tun Sie lobenswerter auch), dass Sie die grundlegende Diskussion über Berichterstattung und Journalismus wenig objektiv betrachten können und sehr voreingenommen und wie Sie bereits bestätigt haben kompromisslos in Ihrer überzeugten Spurrille argumentieren.

Das finde ich persönlich zwar schade jedoch absolut okay.

firlefanz, jeder der Journalist werden will, weiß ja wie es später abläuft. Jeder hat eine Wahl einen Beruf zu wählen, in dem man sich ethisch und moralisch wohl fühlt. Und einige Journalisten haben sichtlich Freude an dem, was sie anderen antun.
Ich erinnere auch gerne nochmal an die Geiselnahme von Gladbeck…Leute, die damals mitgemacht haben und heute darüber sprechen, als sei es ein riesen Abenteuer gewesen…..

Wenn sich jedoch ALLE Journalisten gegen solche Berichterstattung aussprechen, würden nicht alle eine Kündigung erhalten , denn dann müssten die Redaktionen einiges an neuen Mitarbeitern suchen. Und ich denke, ja es gibt sicherlich auch gute Journalisten, die sich nicht auf solch ein Niveau begeben.

Ergänzung:
Wer dort als freier Journalist unterwegs ist, verkauft unter Umständen auch an die gleichen Medien, die dort vor Ort sind, kennt aber nicht immer die Kollegen.

Das dann das Material von den Redaktionen gekauft wird, führt dann wieder alles bei einem Medium zusammen. Das Kernproblem sitzt eine Ebene höher in der Hierarchie – da hätte schon letzte Woche sehr viel direkt zu Beginn gestoppt werden müssen.

TRAUERN UND SICH WIE IM ZOO FÜHLEN – Stell dir vor, du
hast einen Verwandten, deinen Partner oder sogar dein geliebtes Kind verloren.
Zunächst verfällst du in Ohnmacht. In ein tiefes schwarzes Loch. Ein schier
unendliches und unbeschreibbares Leiden sucht dich heim. Später tretest du in
die Phase ein, in der du den Verlust schweren Herzens akzeptierst. Erst dann
beginnst du richtig zu Trauern. Eine Trauer, die zunächst ewig erscheint und
real auch tatsächlich ewig dauert. Anfänglich willst du mit deiner Trauern
allein sein. Später mit dir Nahestehenden die Trauer teilen. Es macht den
Schmerz erträglicher und überwindbarer. Wie schlimm muss es sich dann anfühlen,
wenn dein inniger Wunsch der alleinigen Trauer ignoriert und durch
Schaulustige, die sich an deiner Trauer ohne Scham ergötzen, mit Füßen getreten
wird. Ständige Blicke, ununterbrochenes Gaffen, null Mitgefühl und verletzende
Distanzlosigkeit. Kannst du dir tatsächlich vorstellen wie andere mit ihren
Blicken oder Getuschel deine Gefühle verletzten und durch ihre kranke Schaulust
dir zusätzlichen Schmerz zu deiner Trauer zufügen? Kannst du dir jetzt
vielleicht auch vorstellen wie sich Schimpansin MENOLLY in der Krefelder
Zoo-Gefangenschaft in ihrer Trauer um ihr gerade verstorbenes Baby gefühlt
haben muss, als die Zoo-Verantwortlichen aus Respektlosigkeit die Besucher
nicht vor der Trauenden abschirmten? Keine Minute der Ruhe und des Abschied
nehmen. Distanzlosigkeit und fehlendes Mitgefühl. Null Pietät! Du kannst dir
deine eigenen Gefühle in dieser Situation noch immer nicht vorstellen?

Die Hinterbliebenen der Opfer des Flugzeugabsturzes
4U9525 in der Stadt Haltern scheinbar schon. Denn auf der Facebookseite
„We love Haltern am See“ heißt es erschreckend: „Wer zum Gedenken
eine Kerze abstellen oder einen Moment an der Treppe zum Gymnasium innehalten
möchte, fühlt sich wie im Zoo …“!

Sich wie im Zoo fühlen? Distanzlos begafft werden!
Respektlos zur Schau gestellt? Egal ob du schläfst, spielst oder eben in Trauer
bist? Ständige Blicke und Schaulust. Gilt „sich wie im Zoo fühlen“, angesichts
von Millionen ZoobesucherInnen jährlich (die können sich ja angeblich „nicht
irren und falsch liegen“), nicht als etwas grundsätzlich Richtiges? Gilt die
Zurschaustellung in Zoos nicht als „gesellschaftlich akzeptiert“? Als
empathielos nicht in Frage gestellt? Stell dir einfach nur selber vor, du bist
so ein trauernder Mensch in Haltern oder die nachweislich trauernde Schimpansin
MENOLLY in der Duisburger Zoo-Gefangenschaft. Denkst du immer noch, dass das
Trauern einen Unterschied macht?
http://www.endzoo.at/wp
https://www.facebook.com/pages/EndZOO-International/226764847404044

Ich möchte hier aus Respekt vor den Trauernden nicht weiter in die Diskussion einsteigen, weil das hier fehl am Platz ist, genauso, wie der Missbrauch der Trauer der Menschen für Ihr politisches/weltanschauliches Statement. Menschen sind Menschen und Tiere sind Tiere!

Sicher. Wer keine Argumente hat, der muss so reagieren. Und im Biologieunterricht lernen Kinder, dass der Mensch nicht nur ein Mensch ist. Auch nicht von der Kastanie abstammt.

Der Schreiber dieses Beitrages stellt an Empathie- und Respektlosigkeit alles in den Schatten, was ich im Zusammenhang mit dem Germanwings-Absturz bislang gelesen habe. Ich werde alles dafür tun, dass das Konsequenzen hat.

Ich halte es wie Martin Monschau weiter oben: Ich lehne vor diesem Hintergrund jede weitere Diskussion ab. Meine Gedanken gelten den trauernden Menschen. Ich wünsche unendlich Kraft und Mut.

Danke für den oben verfassten Text. Dieser lässt das Ganze mal von einer anderen Sicht darstellen. Das die Presse und Medien so kaltblütig vorgehen, ist wirklich das Allerletzte.

Lieber Mika Baumeister,
mit großem Interesse habe ich Ihren Beitrag gelesen und möchte ihn auch meinen Kolleginnen und Kollegen im WDR nahe legen. Im WDR Studio Dortmund, das für die Fernsehberichterstattung aus Haltern zuständig war, haben wir in der vergangenen Woche sehr intensiv und wiederholt unsere schwierige Gratwanderung zwischen Berichterstattungspflicht und der Gefahr, die Trauernden zu bedrängen oder zu verletzen, diskutiert. Ich hoffe sehr, dass niemand aus unserem Team die notwendige Zurückhaltung und Sensibilität vermissen liess. Wir haben auch darauf geachtet, dass unsere Reporterinnen gleichzeitig für Tagesschau, Sondersendungen, Aktuelle Stunde, Lokalzeit berichtet haben, und dass nicht jede Redaktion noch eigene Teams und Reporter/innen nach Haltern geschickt hat. Gleichwohl waren unsere Mitarbeiter notgedrungen „ein Teil der Meute“. Wie Sie es erlebt und geschildert haben, macht uns nachdenklich. Deshalb sind wir gern bereit, uns einer Diskussion darüber zu stellen, zu gegebener Zeit und einem von Ihnen zu bestimmenden Rahmen. Allerdings ist es jetzt erst einmal die Zeit, die Trauernden in Haltern in Ruhe Abschied nehmen zu lassen. Unsere aufrichtige Anteilnahme ist bei allen Angehörigen, und wir wünschen ihnen die Kraft und den nötigen Zusammenhalt, um diesen schmerzhaften Verlust zu verkraften.
Ihr Diskussionsanstoss ist wertvoll, und wir werden uns ihm stellen.
Gerald Baars
WDR Studioleiter Dortmund

Welche Berichterstattungspflicht haben Sie gegenüber den Trauernden? Welchen Mehrwert hat das? Meinen Sie, dass der Zuschauer dumm ist und sich nicht selbst denken kann, wie traurig diese Menschen sind!?

Herr Baars, Sie haben NICHT verstanden. Aber wenn es Sie tröstet – Sie sind nicht in der Einzige.
Lassen Sie die Angehörigen in Ruhe und Würde trauern. OHNE Anwesenheit Ihres Berufsstandes.

Ich meinte damit genau Sie und Ihre absolut indiskutable Wortwahl, Joachim Joa. Nicht Herrn Baars.

Waschmaschine, sonnenschein, kofferraum, dampfschiff!!

DAMPFSCHIFF!!!!!!!!!
DAMPF!SCHIFF!!!!!!!!!!!!!!!

oder anders – bist du wirklich so dumm oder abgestumpft?
tzz
DAMPFSCHIFF!!!!!!!!!!!!!!TROCKENTUCH!!!!!!!!!!!!

Nein, egal.
Was ich sagen wollte: ich halte dich für einen Idioten. Also nicht im Sinne der Beleidigung – versteh mich nicht falsch;
ich glaube einfach, dass du dumm bist.
LG

und noch was:

baar – jetzt denk mal nach. wenn du das noch kannst.
lass den alk weg, und in 2 wochen versuchst du es nochmal.
dann bitte in nicht-unverschämt.

und spar dir die verlogenen letzten beiden sätze!

die lassen dich nur wie ein mieses, ignorantes a***loch aussehen!!

[…] Währenddessen nehme ich vor allem im nicht-journalistischen Teil meines Social-Web-Streams immer mehr verlinkte medienkritische Artikel wahr, immer mehr Leute, die sich bisher nicht mit Medien beschäftigten und nun schimpfen. Selbst die bisher wenig kritisierte “Zeit” bekommt mit einem Mal die volle Breitseite und reagiert mehr als unbeholfen darauf. Und heute reichen diese Menschen den aufrührenden Blog-Post eines Schülers des Gymnasiums in Haltern herum, der jedem zur Lektüre empfohlen sei.  […]

Sehr guter Beitrag, den ich gerne geteilt habe. Aber ein Fehler ist mir aufgefallen. Im einleitenden Satz schreiben Sie, Sie seien Schüler der Schule. Auf Ihrem Twitter- und Instagram-Profil legen Sie nahe, es sei Ihre „old school“ bzw. Sie arbeiten für Toms Hardware. Das fällt leider auf, auch wenn das total irrelevant ist. Kann aber für die Glaubwürdigkeit des Textes entscheidend sein. Danke aber für Ihre Worte und dass Sie den Schülern/Verwandten/Trauernden beistehen, während die Welt gerade verrückt spielt.

Ah cool. Halt bei Insta stand „old school“, da war es dann mit der Logik aus bei mir. Verwirrte. 😉
Hoffe dennoch, die Schule hat Vorrang. Du hast gute Vorraussetzungen! Danke nochmals für Deinen mutigen und notwendigen Text.

Beim „Washington Post“-Foto vor 5 Tagen. Ich lese halt echt gründlich. Aber hey, es gibt echt Wichtigeres. 😀

Mensch, so entstehen Missverständnisse. *lol* Das hatte ich halt anders verstanden. Regram ja, Text von Dir. Dann sind ja jetzt alle Klarheiten beseitigt.

Lol Romy, google mal nach, was old school bedeutet….na gut, ich glaube, dass der Mika es auch nicht weiß, weil er dafür zu jung ist (Kinder von heute finden ja im Hip Hop bspw. Eminem old school lol), aber Ihre wörtliche Übersetzung ist wirklich lustig und das bei einem so ernsten Thema.

Wovon träumen Sie bitte nachts? Was haben die Meiden denn aus Gladbeck gelernt? Nichts, außer vielleicht, noch ein wenig heuchlerischer aufzutreten als 1988! Und einige „Haudegen“, die damals anschließend in Sack und Asche gingen, sind heute wieder munter mit dabei. Dieser unsäglich Plasberg zum Beispiel…

Hallo Mika,
Dein Text ist große Klasse! Genau das ist es was ich die ganze Zeit über gedacht habe: Kann man den trauernden nicht einfach genügend Raum und Ruhe lassen? Wenn ich lese, mit was für Methoden die Journalisten arbeiten wird mir speiübel. Das ist widerlich. Auch ich wurde direkt von zwei Reportern bei Twitter angeschrieben, weil ich jemanden kenne, der eigentlich auch im Flieger gesessen hätte, wenn er nicht umgebucht hätte. Das fand ich auch ziemlich dreist. Der Text ist richtig super! Ich hoffe, dass er von vielen Menschen gelesen wird.
Ich wünsche dir, den Angehörigen der Opfer und ganz Haltern nur das Beste. Und hoffe, dass man euch bald in Ruhe lässt.
Liebe Grüße, Sara

Respekt für diesen Artikel, Mika. Ich habe mit zunehmender Irritation die Berichte verfolgt und mich auch oft gefragt, warum man permanent darüber berichte muss. Ich wünsche Euch allen, dass Ihr jetzt die nötige Ruhe bekommt, um die schreckliche Tragödie zu verarbeiten.

Lieber Mika,
vor vielen Jahren habe ich auf einen Schlag vier Freunde verloren. Damals war die Berichterstattung für uns unerträglich. Euch, allen Familien und allen, die in Trauer sind, gilt mein Mitgefühl. Viel davon.

Ihren Ausführungen zum Presseverhalten ist nichts hinzuzufügen. Da kommen einem ehrlich gesagt Erinnerungen hoch zum von Paparazzi induzierten Tod von Lady Di.
Trotzdem betrachte ich die Dinge, mögen sie auch u.U. tragisch und emotional sein, immer aus mehreren Perspektiven. Abgesehen davon, dass dieses tragische Ereignis für Pressevertreter im Grunde leider nur ein Job ist, bei dem man sich gegen andere Medienvertreter durchsetzen muss (dasselbe gilt z.B. Für Sanitäter. Sie werden nicht glauben wollen, welche Witze, Sprüche und Schoten dort selbst bei tragischen Verletzten und Toten vermutlich auch zum psychologischen Selbstschutz teilweise gerissen werden), möchte ich einen Sachverhalt zur Diskussion bringen, der mich bei der legitimen Kritik gegen die Presse und das Ausnutzen der Tragödie und des Todes der Menschen auch zum Nachdenken gebracht. Mich interessiert dabei auch Ihre Meinung.
Soweit ich informiert bin, wurde sehr kurz nach dem Bekanntwerden des Todes einer der beiden Lehrerinnen, der Fußballspieler Hummels von einem ehemaligen Schüler der Lehrerin und im Namen vieler anderer SchülerInnen angetwittert. Hummels wurde gebeten, da die Lehrerin ein sehr großer Fan von ihm war, das nächste Tor ihr zu widmen. Hummels hat dies in diesem Fall umgehend bejaht. Ich persönlich fand diese Aktion klasse.
Jedoch ist Hummels kein unbekannter Spieler. Er und seine Aktionen stehen stets im öffentlichen und im Presselicht. Dabei muss zum einen den Schülern und zum anderen Hummels selbst bewusst sein, dass so eine Aktion früher oder später durchaus Mediales Begehren weckt.
Außerdem denke ich, dass die SchülerInnen (im Affekt) den Umstand des tragischen Tod ausgenutzt haben, um an den ansonsten vermutlich eher unerreichbaren Hummels heranzukommen. Dieser hat dieser Bitte sicherlich ebenso affektiv zugestimmt, weil es sich um einen besonders tragischen Vorfall handelt. Ich gehe davon aus, dass ihm eine Tor Anfrage für eine lebenden Lehrerin weniger bis keine Aufmerksamkeit abgerungen hätte. Andersherum hatten Die SchülerInnen sicherlich vor dem Tod wegen derselben mangelnden Erfolgsaussichten diese Toranfrage auch nie in Erwägung gezogen.
Wie bereits erwähnt, die Aktion ist super. Dennoch darf und muss die Frage gestellt werden, inwieweit es angemessen ist, die medialen Begehrlichkeiten (unabhängig von der teilweisen Methodik) aus der Tragödie besonders gegenüber SchülerInnen als pietätlos zu verurteilen, wenn gleichzeitig SchülerInnen die Tragödie für vermeintlich pietätvolle Aktionen „nutzen“.
Mich interessieren, wie gesagt, insbesondere Ihre Ansichten dazu. Weil mich die Hummelsanfrage vor dem Hintergrund der Pressekritik etwas irritiert.
Ich hoffe dabei, meine Anregung zum Perspektivwechsel wird nicht mit einem Totschlagargument abgetan, dass es sich um etwas ganz anderes handele, weil es die Betroffenen selbst sind.

Ich selbst habe die Aktion von Joschka unterstützt:
http://puu.sh/gWcqi/fc2524dc95.png
Und mich nachher wieder einmal über die virale Wirkung der Anfrage gewundert:
http://puu.sh/gWcrC/c3be36e76d.jpg

Natürlich wird an dieser Stelle die plötzliche Aufmerksamkeit genutzt. Doch der Halterner Nationalspieler hätte das Haltern-Logo sicherlich auch nicht während der Nationalhymne hochgehalten, wen dieses Unglück nicht passiert wäre.
Ich selbst bin mir sicher, dass die Lehrerin sich über den Vorfall gefreut hätte. Das würde bei ihren letzten Wünschen sicherlich weit unten stehen, doch mit Sicherheit – so wie ich sie kennen gelernt habe – hätte sie sich darüber gefreut.

Jetzt ist natürlich noch die Frage: Wie lange braucht Hummels für sein Tor? Er ist ja bei weitem nicht Torjäger #1. Sollte es noch ein halbes Jahr dauern, bin ich mir sicher, dass das mediale Interesse schon weit genug zurückgegangen ist, sodass niemand sich dafür interessiert. Man wird es sehen.

Ich habe großen Respekt vor dieser Sichtweise und verstehe, dass es einen enormen Eindruck hinterlassen muss, wenn man plötzlich zum Objekt von Medienberichterstattung wird. Verständlicherweise enthält der Text trotzdem, und das möchte ich der Fairness halber doch sagen, einige der üblichen Missverständnisse darüber, wie Massenmedien funktionieren. Unser Schulsystem scheint wirklich nur mangelhaft darüber aufzuklären. Das habe ich bei anderen Großereignissen dieser Art schon erfahren und als jemand, der selbst in dieser Branche arbeitet, schon auf Einladung von Schulen oder Organisationen für „Aufklärung“ gesorgt. Irgendwann, wenn in einigen Monaten die unmittelbare Emotionalität abgeklungen ist, wäre es schön, wenn mal über das Thema „Mehr Medienkompetenz im Lehrplan“ geredet würde und vielleicht die Landesregierung dafür sogar Mittel bereit stellen würde, um Lehrer fortzubilden und externe Fachleute zu bezahlen, die da für Aufklärung sorgen.

Genauso dreist und ekelhaft wie lauernde Sensationsjournalisten vor Schulen sind aber auch Menschen, die solche Artikel für ihren Hass aufs Bildungssystem (hier völlig fehl am Platz) auslassen meinen zu müssen.

Zum Thema mehr Medienkompetenz im Unterricht stimme ich dir voll und Ganz zu. Diese Meinung vertrat ich aber auch schon vorher.
Was meinst du genau? Ich habe nicht nur die Journalisten angesprochen, sondern sage den Konsumenten ganz klar, dass diese sich AUCH ändern müssen.

Ihr Ansatz zu Medienkompetenz ist beispielhaft, wird jedoch so auch in der Schule realisiert. Es gibt zahlreiche Fortbildungen von Lehrern, die auch genutzt werden. Ebenso war ich schon selbst mit etlichen Klassen bei zahlreichen hervorragend strukturierten und thematisch umgesetzten Workshops zu Medienkompetenz dabei. Darüberhinaus findet sich das Thema Medien/ Medienkompetenz in fast allen Fächern fächerübergreifend wieder. Es mag abgedroschen und typisch lehrerhaft klingen, doch wenn sie diese Fortbildung zur Medienkompetenz nicht nach Hause zu den Kindern selbst und ganz dringend zu deren Eltern bringen, hat dies alles nur kurzfristigen bis überhaupt keinen Nährwert. Genau hier ist ein Blog zum Thema von einem betroffenen Jugendlichen/ jungen Erwachsenen genau der richtige Ansatz.

Hallo Mika,

es gibt kein zu Spät oder eine „Nachhut der medienkritischen Beiträge“ wie Du in der Einführung schreibst. Ich denke, es ist mehr als verständlich, dass Du diese ganzen Eindrücke erst mal verdauen musstest um dann so sachlich darüber zu schreiben – dafür den allergrößten Respekt.

Ich selber habe über die Arbeit der Presse in Rahmen des Unglücks einen Bericht geschrieben und kann nachvollziehen, wie schwer es ist, die Fassung beim Schreiben zu bewahren. Die Eindrücke, die ich nur durch das Anschauen der verschiedenen TV-Formate bekommen habe, werden durch Deine geschilderten Erlebnisse nur noch verstärkt.

Es wäre schön, wenn besonders Dein Bericht aber auch die vielen mahnenden Beiträge, gerade auch aus der Bloggerszene, zu einem Umdenken bei der Presse führen würde. Alleine, es fehlt mir der Glaube. So lange diese Medien ihre Zuschauer und Leser haben, werden sie eher noch skrupelloser werden, um an die besondere, exklusive Schlagzeile zu kommen.

Ich wünsche der Stadt Haltern, den Menschen dort, den Trauernden, das bald ein Zustand einkehrt, in dem Trauer ungehindert und unbeobachtet möglich sein kann.

LG Thomas

Ich bin sprachlos…wirklich! Das nicht die seriösesten journalistischen Mittel eigesetzt worden, war ja schon bekannt. Aber das jetzt hier von dir zu lesen…es macht mich so wahnsinnig traurig. Diese Pietätlosigkeit und diese Ohne-Rücksicht-auf-Verluste-Einstellung…einfach furchtbar.

Ich wünsche euch allen in Haltern und natürlich auch den anderen Angehörigen ganz viel Kraft für diese unfassbar schwere Zeit!

Gut geschrieben, ausführlich, hinterlässt Eindruck: VIELEN DANK für den Bericht, den man in der Tat zur Pflichtlektüre für angehende Journalisten machen sollte. Da können noch so viele Journalisten ordentlich arbeiten – die Skrupellosen unter ihnen machen alles kaputt! Man müsste ihnen – mindestens – die Presseausweise wegnehmen.

Ich habe mir erlaubt das NDR Medienmagazin ZAPP auf Ihren Bericht hinzuweisen. So wie ich die Redaktion kenne, wird Zapp sicherlich in seiner morgigen Sendung das fragwürdige Verhalten von Reportern in Haltern thematisieren. Vorab erschien folgender Artikel, der Sie interessieren mag:
http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/blog/Germanwings-Die-Medienmeute-und-der-Absturz,germanwings252.html

Meine Anteilnahme – aus der Ferne!

Ein sehr guter Beitrag. Allerdings wird die Diskussion nach jeder Katastrophe geführt und ich befürchte einmal, dass sich das Verhalten diverser Journalisten nicht verändern wird. Pflicht zu Berichterstattung, wie Gerald Baars vom WDR anmerkt? Sehe ich auch nicht, zumindest nicht in diesem Ausmaß.

Hallo Mika, Danke für deinen tollen Blogbeitrag. An einer Stelle bin ich aber stutzig geworden: „Ob ein Kondolenzschreiben wie dieses an die Öffentlichkeit gehört?“ Du forderst, dass die Profi-Journalisten den Pressekodex beachten – da stimme ich dir völlig zu. Aber wie begründest du dann im selben Atemzuge, warum du den Wortlaut des Kondolenzschreibens hier veröffentlichst? Für Blogger sollte meiner Meinung nach ein Blogger-Kodex gelten, der dem Pressekodex in weiten Teilen ähnelt. Was meinst du dazu?

Das Schreiben ist jetzt eh schon öffentlich, hier gibt es nichts mehr zu schützen. Im Gegenzug dazu ist aber jedes weitere Bild, das an die Öffentlichkeit kommt und weiter verbreitet wird, ein weiterer Einschnitt in die Privatsphäre eines toten oder auch noch lebenden Menschen. Ich hoffe, meine Argumentation ist deutlich geworden..

Man darf bei aller berechtigten Medienschelte durchaus auch hier etwas differenzierter vorgehen und dem Herrn Baars seine aufrichtige Anteilnahme und sein Angebot zur Diskussion abnehmen. Was Mika schreibt, ist erschreckend und kann auch durch den Druck, dem Journalisten ausgesetzt sind, nicht entschuldigt werden. Daraus abzuleiten, dass die Mehrzahl der Journalisten so handelt und keinerlei Rücksicht nimmt, wäre aber falsch.

Dieser Mann fantasiert eine „Berichterstattungspflicht“ herbei wo keine ist und möchte dafür gelobt werden, dass seine Mitarbeiter Haltern wenigstens für viele Formate gleichzeitig belästigt haben und nicht etwa – Gott bewahre! – für alle einzeln. DAS ginge ja nun zu weit.

Ich lese bei vielen Medienvertretern, dass sie vorgeben, zu verstehen, während ein zentraler Punkt jedoch nie anzukommen scheint: die Berichterstattungspflicht über ein tragisches Flugzeugunglück in den französischen Alpen erfodert am Joseph-König-Gymnasium in Haltern am See die Anwesenheit von genau null Reportern.

Die Ausgangslage für eine Diskussion sehe ich deshalb unglücklich.

Warum sollte kein Politiker nach Haltern kommen dürfen und warum sollte man nicht über eine Person öffentlichen Interesses (was ein Politiker in der Regel ist) berichten dürfen?

An welcher Stelle glauben Sie, dass aus meinem Beitrag ableiten zu können?

Welche Person öffentlichen Interesses besucht das Joseph-König-Gymnasium? Das Interesse der Öffentlichkeit an der Katastrophe vollziehe ich nach. In wie weit sind Fotos und Videoaufnahmen von betroffenen, verwirrten oder traurigen Kindern und Jugendlichen der Information der Öffentlichkeit über die Hintergründe des Flugzeugabsturzes zuträglich?

Wo ist der Informationswert? Ich kann keinen erkennen. Nur Voyeurismus gegenüber den emotionalen Reaktionen derjenigen Menschen, die (vermutlich) am betroffensten sind.

Und wenn die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interessen an den Emotionen der Schüler, Mitschüler, Kollegen, Freunde und Nachbarn hätte (was ich weiter bestreite), warum dann ausgerechnet Haltern und das JKG? Wo ist die gleichberechtigte Berichterstattung von den Lehr-, Wohn- und Arbeitsstätten der anderen Todesopfer?

Sie schrieben von „null Reportern“ in Haltern, alles andere will ich jetzt hier nicht weiter diskutieren – zum einen sind wir in unseren Ansichten wahrscheinlich gar nicht so weit auseinander, zum anderen will ich jetzt nichts mikas gute ausführungen hier für noch weiter führende diskussionen „missbrauchen“

Und ich bleibe bei „null Reportern“. Eine Berichterstattungspflicht über das Unglück selbst? Natürlich. Eine Berichterstattungsplficht über das emotionale Erleben der Haltener Bürger? Streite ich ab.

Ihr Politikerbesuch ist ein konstruierter Sonderfall: es war ja nun einmal so, dass die Heerscharen der Reporter sich vor der Schule gesammelt haben, und nicht um Fotos eines kondolierenden Politikers zu machen.

Nach meiner bisherigen Wahrnehmung liegen unsere Ansichten wahrscheinlich sehr weit auseinander, so auch in der Einschätzung, diese Diskussionen sei ein „Missbrauch“ dieser Plattform.

Warum gerade das JKG und Haltern? Weil genau hier die emotionalen Folgen und die Trauer sehr explizit wahrgenommen werden und gerade der Umgang einer Schule mit dem Verlust mehrerer geliebter Menschen eine besondere soziale und psychologische Bedeutung hat und somit für einen Teil der Gesellschaft eine nähere Betrachtung und Berichterstattung bedarf. Es ist außerdem mMn relativ nachvollziehbar, dass Einzelschicksale weniger allgemeines Interesse auslösen als der Verlust einer größeren zusammengehörigen Gruppe des öffentlichen Lebens (z.B. Schule). Außerdem habe ich auch bereits von den angeblichen 5 Hunden gehört, die ebenfalls beim Flugzeugabsturz ums Leben kamen. Es bleibt dabei natürlich jedem selbst überlassen, ob er diesem Sachverhalt mehr oder weniger oder gleichviel Bedeutung zukommen lässt.

Zur Frage des Informationswerts: Es sei Ihnen zugestanden, dass sie bei der emotionalen Berichterstattung keinen konkreten, sachlichen und fassbaren Informationswert erkennen. Dies ist aber eben in der Emotionalität des Themas begründet. Emotionen sind eben subjektiv. Somit wird auch die Berichterstattung darüber emotional ausfallen. Sicherlich haben Sie mit Ihrer Einschätzung dabei auch recht, dass hier durchaus ein Aspekt zum tragen kommt, den Sie als „Voyeurismus“ bezeichnen. Ein Flugzeugabsturz einer gewöhnlichen Passagiermaschine, mit der vermutlich jeder Mensch u.U. einmal im Leben in den Urlaub fliegt, ist durchaus ein Trauma für jeden Menschen, der sich damit aus Empathie identifizieren kann. Die öffentliche Berichterstattung über den emotionalen Umgang mit dieser Katastrophe und der daraus resultierenden Trauer kann bei der Bewältigung der „identifizierten“ Trauer und Angst helfen. Außerdem ist der Tod und der Umgang damit stets eines der letzten relativ unbekannten und teilweise tabuisierten Aspekte der Gesellschaft. Ich gehe davon aus, dass es zahlreiche Menschen gibt, die, um mit der fragenden Ungewissheit fertig zu werden, sogar gerne genau wissen würden, wie die letzten Momente der Opfer abgelaufen sind. Es ist nachvollziehbar, dass viele Menschen diesen Wunsch als absolut unsozial verachten würden. Genauso muss man aber akzeptieren, dass Menschen diese Gedanken aus traumatischer und psychologischer Sicht haben. Es bleibt jedoch Ihnen überlassen, dies als „Voyeurismus“ zu bezeichnen.

Herzlichen Dank, dass Sie mir meine Einschätzung großzügig überlassen. Bitte geben Sie mir Bescheid, wenn Sie dass nächsten Mal einen Menschen verlieren, der Ihnen nahe stand. Ich möchte Sie dann gern beim Trauern fotografieren und versuchen, diese Bilder zu verkaufen. Ich bin sicher, damit gutes zu tun, weil das Betrachten Ihrer Tränen nämlich anderen Menschen hilft „identifizierte Trauer und Angst zu bewältigen“. Todesfälle passieren nämlich jedem.

Gerne! Obwohl ich selbst gerne in einer Diskussion mit Polemik auf Polemik reagiere, versuche ich konstruktiv zu bleiben.

Wie bereits in einem anderen Diskussionsstrang deutlich gemacht, sehe ich einen Unterschied zwischen einem Einzelfall und einer größeren Tragödie im Zusammenhang mit einer Institution des öffentlichen Lebens (hier: Schule). Darüber hinaus sehe ich Ihre Anfrage als legitim. Ich kann selbst entscheiden, ob ich dann mit Ihnen einen Exklusivvertrag zu meiner Trauerberichterstattung für gutes Geld abschließe oder vielleicht gratis berichte, weil ich es für sozial-psychologisch sinnvoll erachte. Oder ich könnte Ihnen ein abgrundtief ehrloses pietätloses Verhalten vorwerfen, mit Klage wegen Ihrer Frage drohen und Sie als asoziales Monster ohne Empathie beschimpfen. Vermutlich würde ich mich für den Exklusivvertrag entscheiden und ob dieser Entscheidung werde ich nun sicherlich von Ihnen als das letztere bezeichnet.

Mir ist klar, dass Sie Ihre Frage rhetorisch gemeint haben und keine Antwort erwartet haben. Es ist Ihnen ja nicht entgangen, dass ich ernsthaft eine umfassende Mehrperspektivität propagiere. Da ich diese in der Tat ehrlich meine und so vertrete, hört diese Ansicht auch nicht an meinem Vorgarten auf. Und wenn ich in der Öffentlichkeit trauer(n) (muss), sind Bilder von mir eben rein rechtlich frei für eine Veröffentlichung. Alles weitere darf sowieso nicht ohne meine Genehmigung veröffentlicht werden. das ist auch der Fall in Haltern. Wenn wir von Personen (als Einzelaufnahme ohne Unkenntlichmachung) sehen und hören, wird dies entweder eine sehr empfindliche Strafe für die Journalisten nach sich ziehen oder es ist rechtlich abgesichert und von Erziehungsberechtigten oder den erwachsenen Personen selbst erlaubt wurden. Meinen trauernden Sohn hätte ich unter Umständen nicht zur Schule geschickt, oder selbst hingefahren, um ihm die für mich immer noch legitime Berichterstattung zu ersparen. Selbstredend würde ich stinksauer werden, wenn die Journalisten meinem Sohn Geld anbieten würden (ohne mir einen Anteil abzugeben, nun bin ich doch polemisch geworden). Doch die Frage, dass gewisse Verhaltensmuster der Journalisten illegal und verwerflich sind, stellt sich ja auch in unserer Diskussion schon lange nicht mehr. Trotzdem wäre mir bewusst und klar (und so erkläre ich das auch meinem Sohn), dass über die Trauer (angemessen im rechtlichen Rahmen) berichtet wird, und dass dies mMn legitim und „normal“ ist. Es könnte auch sein, dass ich komplett anders reagiere und danach alle Journalisten verabscheue. Möglich. Fest steht jedoch, dass ich viele verschiedene Alternativen heranziehe und betrachte und Ursache und Wirkung von Verhalten aus anderen Perspektiven betrachten werde.

Zum Artikel von Niggemeier:
Der dargestellte Chat zeigt mir deutlich, wie sehr die derzeitige Medienkritik den Journalismus belastet. Scheinbar ist es für eine Vielzahl der (konsumierenden) Menschen (mich eingeschlossen) klar, dass die von Mika Baumeister dargestellten Vorwürfe zur grenzüberschreitenden Art und Weise der Berichterstattung eindeutig und unzweifelhaft sind. Ich persönlich kann mich nur auf die Aussagen in Mika Baumeisters Artikel selbst stützen und dies sind in der Tat keine klaren Beweise.

Natürlich kann ich nicht beurteilen, auf welcher beweishaltigen Grundlage andere die Vorwürfe als eindeutig bezeichnen können. Unter Umständen ist die bloße allgemeine Akzeptanz dieser Vorwürfe bereits durch die gesamte im Vorfeld langsam aufgebaute negative Darstellung der Medien beeinflusst. Wäre jedenfalls ein Ansatz.

Ich finde es legitim, sich zunächst zu verwehren, wenn man nicht von den angeblich Betroffenen direkt mit entsprechenden nachvollziehbaren Beweisen angesprochen, sondern über Dritte (teils über einen Blog) öffentlich „angeklagt“ wird. Dabei ist auch sehr interessant, dass ein persönlicher Twitter-Chat in Facebook-Rache-Manier veröffentlicht wird und zur weiteren Untermauerung des schlechten Presseverhaltens benutzt wird. bekanntlich lässt sich Feuer am besten mit Feuer bekämpfen. Soll mir Recht sein.

Der Bezug auf gerichtliche Mittel zeigt ebenfalls, dass der Redakteur die Anschuldigungen aus seiner Sicht als extrem haltlos, rufschädigend und unmoralisch bezeichnet. Sicherlich ist sein „Ton“ nicht angemessen. Mika Baumeister ist jedoch kein simpler, wehrloser und in die Enge getriebener Schüler, sondern ein standhafter, mutiger, selbstbewusster und kritischer junger Mann, der sich seiner Aussagen und Anklagen bewusst ist und sein muss. Außerdem hat sich der Redakteur später für seinen „Ton“ entschuldigt, bleibt jedoch bei seiner Auffassung eines moralisch angemessenen Verhaltens seiner Mitarbeiter. Dass Niggemeier die Aussagen des Redakteurs so interpretiert, dass er Mika Baumeister als den lausigen kleinen bedrohten Schüler darstellt, ist nicht in Ordnung und heizt die Diskussion unnötig emotional an. Der Redakteur hat nur die Beweislast als lausig bezeichnet. Aus seiner Sicht (und ich habe momentan auch keine weiteren Beweise) ist es vermutlich so. Die Wortwahl dabei ist durchaus zu diskutieren.

Ich bin davon überzeugt, dass sich auch der Chef-Redakteur von der Tatsache der Anschuldigungen überzeugen lässt, wenn ihm diese klar, sachlich und unmissverständlich aufgezeigt werden.

Davon abgesehen, sehe ich auch keinen Sinn darin, wenn die Presse sich unter einer zwingenden Beweislast gegen diese Anschuldigen wehren sollte. Es handelt sich überwiegend um moralisch verwerfliche Methoden. Im Einzelfall vielleicht illegale Vorgehensweisen. Die entsprechenden Journalisten würden bestraft oder getadelt. Wie sie persönlich damit umgehen, bleibt ja eh ihnen überlassen. In einer Woche würden die Zeitungen sowieso wieder vom noch in den Nachwehen seiner eigenen Kritik steckenden Konsumenten gekauft werden. Beim nächsten Flugzeugabsturz besteht dann sowieso wieder der in der Kritik stehende emotionale Berichterstattungsbedarf. Die Art und Weise der Durchführung der Berichterstattung, mit oder ohne reuevollem Eingeständnis der Presse, wird sich hoffentlich so oder so ändern und mit positiven Ergebnis für alle reflektiert werden.

Ihre Meinung zur Berichterstattungspflicht und Ihre Argumentation kann ich aus Ihrer Sicht nachvollziehen, jedoch in keiner weise Ihre mMn relativ kompromisslosen Haltung bei der Vertretung Ihrer Meinung. In dieser Diskussion ist Ihre Meinung, dass es keine Berichterstattungspflicht zur Trauer und zu den Emotionen von Angehörigen geben darf, genau EINE Meinung dazu. Nicht mehr und nicht weniger. Und es gibt offensichtlich andere Meinungen dazu. Einer Diskussion und den Teilnehmern der Diskussion tut es durchaus gut, das Thema auch mehrperspektivisch betrachten zu können, statt sich an der ständigen vehementen Verteidigung seiner Ansicht dazu aufzureiben. Es wurde nun bereits wiederholt bestätigt, dass die teilweise Art und Weise der Durchführung der Berichterstattung grenzwertig bzw. sogar grenzüberschreitend war. Dies schließt jedoch nicht gleichzeitig aus, dass es für Menschen in unserer Gesellschaft nachvollziehbar ist, dass über die Trauer und die Emotionen grundsätzlich berichtet werden darf/ kann. Dadurch wird dieser Mensch auch nicht automatisch zu einem sozial inkompetenten Menschen. Ich sehe das Problem darin, dass die wahrgenommene, in Teilen nicht tolerierbare Art und Weise der derzeitigen Berichterstattung offenbar mit der grundsätzlichen Pflicht/Forderung/Erwartung/ des Wunsches/ einer Berichterstattung vermischt wird. Sie haben recht, wenn Sie sagen, dass die reine Information zum Flugzeugunglück keine Reporter in Haltern erfordert. Die Berichterstattung zum Einblick in die Trauer, die Emotionen den Umgang mit der neuen Situation an der Schule und bei den betroffenen Menschen jedoch schon. Die grundsätzliche Frage, ob die Berichterstattung dazu gerechtfertigt ist, haben Sie selbst nicht zu entscheiden. Sie haben jedoch sehr klar und deutlich Ihren Standpunkt dazu aufgezeigt. Insofern ist es mMn nicht angemessen, Medienvertretern nur ein „vorgegebenes“ Verständnis zu attestieren und zu behaupten, dass ein „zentraler Punkt nie anzukommen scheint“. Dieser zentraler Punkt ist ausschließlich Ihre Meinung. Ihre Meinung findet glücklicherweise Gehör und wird akzeptiert. jedoch muss diese nicht bei irgendwem ankommen und als einzige Wahrheit übernommen werden, weil Sie und sicherlich viele andere Menschen nur diese Wahrheit als einzige akzeptieren.

Die Gier der einzelnen Medienunternehmen mit einer „Berichterstattungspflicht“ begründen zu wollen ist schlicht und ergreifend zum fremdschämen.

Ich bin ein Aussenstehender und unterstütze die Aussagen von Mika zu 100 % – lasst die Leute in Haltern in Ruhe! Die Trauer der Angehörigen und Freunde geht mich auch gar nichts an! Und jeder der mehr oder weniger direkt betroffen ist, braucht diese Bereichte sicher auch nicht…

Ich kann auch Ihre Meinung sehr gut nachvollziehen. Der Ausdruck „Gier“ in Bezug zu den Medien ist dabei interessant. Ich welchem Kontext sehen Sie „Gier“ bei Ihrer Verwendung des Wortes? „Gier“ bedeutet, dass man von einer Sache nicht genug bekommen kann. Heißt es, dass einzelne Redakteure oder Medienbosse nicht genug bekommen können von Trauer und Emotionen zu berichten und ihre Zeitungen damit vollstopfen, obwohl es der Rest der Welt verurteilt?. Ich denke die Entwicklung einer „Gier“ setzt zunächst eine Nachfrage voraus. In diesem Fall wäre es die Nachfrage der Kunden nach Berichterstattung. Ein Medienunternehmen ist nun mal von den Absatzzahlen abhängig und wird deshalb auch nach Bedarf arbeiten. Reagiert der Kunde positiv auf einen Reiz, wird dieser Reiz zunächst vermehrt eingesetzt (leider häufig exzessiv). Ich sehe deshalb trotzdem in dieser Diskussion nicht zwangsläufig eine klare allumfassende öffentliche Abneigung/ Verurteilung der blossen „emotionalen“ Berichterstattung. Wie wir jedoch auch sehen führt diese „Gier“ u.U. zu grenzüberschreitenden Presseverhalten. Das ist richtig. Ändert jedoch nichts an der offensichtlich allgemeinen Forderung und Erwartung der Öffentlichkeit nach „emotionaler“ Berichterstattung. Ich kann mir jedoch gut vorstellen, dass die aktuelle weitreichende Diskussion zu diesem Thema durchaus eine Sichtweisenänderung beim Konsumenten und somit dann auch bei den Medien hervorrufen kann. Das wäre in diesem Fall wünschenswert, um wieder angemessene Grenzen bei der Berichterstattung ziehen zu können.

Ich glaube es war Ghandi der in etwa sagte: „Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht genug für jedermanns Gier.“ Vielleicht sollten wir alle anfangen danach zu handeln. Und um es genauer zu betiteln, ich halte das Verhalten einzelner Berichterstatter für das Ergebnis der eigenen Firmenkultur, angetrieben durch eine Mischung aus Gier nach Macht und Profit in den Etagen ganz oben.

Wobei es vollkommen bedeutungslos ist was ich davon halte. Weshalb ich diese Diskussion auch nicht weiterführen werde.

Danke für Ihre Erläuterung. Ihr angeführtes Zitat Ghandis ist einleuchtend und passend. Die Herkunft der Gier wird mit Ihrer Erklärung meiner Meinung nach jedoch nicht ausreichend geklärt. Bzw. scheinen wir wieder am Anfang meiner Frage zu sein: Entsteht die gierige Firmenkultur aus dem Nichts? EIN böser Journalist, der eine so große Macht hat, die Gesellschaft für sich und seine Gier zu gewinnen indem er als einzelne Person Bedürfnisse in einer Gesellschaft aufbaut? Oder sind nicht eher die Bedürfnisse in der Gesellschaft und in den Menschen entstanden und vorhanden? Und der potentiell machtgierige Firmenchef befriedigt anfänglich nur die Bedürfnisse der Gesellschaft und entwickelt daraufhin dann die von Ihnen beschriebene Gier? Es mag ein feiner jedoch mMn wesentlicher Aspekt sein. Die Frage des Ursprungs ist meiner Ansicht nach deshalb wichtig, um die Reflektion zur eigenen Gier (gemäß Ghandis Aussage) in Gang setzen und die positive Wirkung daraus nutzen zu können.

Ghandi sagte , meiner Kenntnis nach, auch folgendes:

„Ich strebe nicht danach, an meinen bisherigen Erklärungen zu einer bestimmten Frage unbedingt festzuhalten, sondern ich will an der Wahrheit festhalten, wie sie sich mir in einem bestimmten Augenblick darstellt.“

Ich interpretiere das so, dass dies eine ständige Diskussion und Einbeziehungen vieler Perspektiven und Ansichten voraussetzt.

Ich verstehe jedoch auch, dass das in bestimmten Situationen bei besonders emotional besetzten Themen schwer fällt und akzeptiere, wenn Sie sich aus der Diskussion ausklinken möchten.

Jedenfalls vielen Dank für Ihre gedanklichen Ansätze in der Diskussion.

Welchen Standpunk außer dem meinigen sollte ich den sonst vertreten und warum ist Vehemenz etwas schlechtes?

Können Sie bitte zitieren, wo ich etwas anderes für mich in Anspruch genommen habe als das Formulieren (m)eines Standpunktes?

Wo ich irgendwas „verlange“, können Sie dann sicherlich gleich mitbelegen.

Akzeptanzschwierigkeiten sehe ich eher auf Ihrer Seite. Ich bin sicher, auch sie haben Standpunkte und Ansichten, bei denen Sie NICHT kompromissbereit sind.

Nun, dies ist meiner. Gerne darf und soll die Öffentlichkeit über die Hintergründe eines tragischen Unglücks aufgeklärt werden, am liebsten anhand von Fakten.

Niemals hat irgendwer an Recht auf das Private anderer. Und darum ging es hier.

Ich glaube, Sie verwechseln hier einiges. An soetwas wie Wahrheit glaube ich bei Gefühlen, Meinungen und Ansichten nicht. Das auch andere Meinungen gibt, zeigt allein die Realität und ist immer alternativlos. Das man anderen seine Meinung lässt ist eine Selbstverständlichkeit – oder wie wäre ihr vorgehen, wenn sie jemanden eine Meinung NICHT „lassen“ wollten.

Das sind trivialitäten, die man als bekannt voraussetzen kann und die man nicht extra erwähnen muss.

Stattdessen konzentriere ich mich auf das, was ich darüber hinaus beitragen kann. Und das ist in diesem Fall eine Meinung, und bisher habe ich noch nichts gelesen, was mich diese ändern ließe.

Festigkeit in einem Standpunkt halte ich nicht zwangsläufig für einen Fehler.

Aber da ihnen das offenbar ein Bedürfnis ist: ja, Ihre abweichende, von mir ungeteilte Meinung sei Ihnen gerne überlassen. Nur die Tatsache alleine, dass sie existiert, nötigt mir aber noch keine Kompromissbereitschaft ab. Sie wollen sich ja mit meiner „Vehemenz“ auch nicht anfreunden

Ich habe nie behauptet Vehemenz sei etwas Schlechtes. Ich
schrieb nur, dass eine weniger vehemente „Verteidigung“ der eigenen Meinung
einer Diskussion gut täte. Dabei liegt die Betonung auf Verteidigung. In einer
Diskussion wird niemand angegriffen und keiner sollte sich verteidigen müssen.
Ich habe jedoch wahrgenommen, dass Sie sich stets gegen andere Meinungen
verteidigen. Dies lässt natürlich den Schluss zu, dass Ihre Diskussionspartner
Sie dann zwangsläufig aus Ihrer Sicht angreifen. Darüber sollte man durchaus
nachdenken. Persönlich sehe ich das jedoch nicht. Trotzdem merke ich eben eine
Tendenz zur Verteidigung Ihrer Meinung.

Außerdem vertrete ich meine Ansicht zur Mehrperspektivität
und zum Perspektivwechsel auch bei vermeintlich moralisch eindeutigen Sachverhalten
ebenfalls vehement. Das ist ja auch offensichtlich und bedarf keiner weiteren
Erläuterung.

Auch wenn Ihnen, wie mir aus Ihrer Diskussionsführung mit
meinen Vorrednern deutlich wurde, der Versuch Ihres Diskussionspartners eine
gemeinsamen Denkebene zu sehen, widerstrebt, bin ich überzeugt, wir sehen uns
beide als eine Art moralische Instanz. Aus Ihrer Sicht ist es moralisch
unbestreitbar, dass eine emotionale Berichterstattung über Trauernde unnötig
ist und lässt daher keine Gegenargumente und einen Versuch zum
Perspektivwechsel zu. Ich sehe dabei eine moralische Pflicht auch in
gesellschaftlich und moralisch sensiblen und für viele offensichtlich
unzweifelhaften Themen jeweils die Sichtweise der „anderen“ auf den ersten
Blick „unmoralischen“ Seite zu betrachten und zu verstehen. Es geht mir dabei
auch nicht darum, einem Gegenüber seine Meinung „nicht zu lassen“, sondern den
Blick zu öffnen für die andere Perspektive. Da die allgemein anerkannte und
propagierte moralische Perspektive (hier: Trauer gehört nicht in die Medien)
ohnehin allgemein oder zumindest in Teilen vertreten wird (auch von mir).

Mir ist bewusst, dass ich dabei überzeugt bin,
Mehrperspektivität ist hilfreicher als Einseitigkeit. Was wiederum den ebenso
moralisch überzeugten Gegenüber u.U. zur „Verteidigung“ seiner Überzeugung provoziert.

Ich sehe dabei trotzdem einen großen Unterschied zwischen
unseren beiden Haltungen. Ich akzeptiere Ihre Ansicht nicht nur, sondern teile
Ihre Ansicht (wie oben bereits beschrieben), doch im Gegensatz zu Ihnen ziehe
ich auch andere Ansichten in die Wahrheitsfindung mit ein, mögen sie auch
zunächst moralisch verwerflich erscheinen. Ob ich am Ende einen Kompromiss
sehe, das steht auf einem anderen Blatt. Ist man jedoch wie Sie, und das haben
Sie ja bereits bestätigt, von vornherein aufgrund einer gewissen Überzeugung
kompromisslos, steht Ihnen gar nicht die Möglichkeit eines Kompromisses oder
der Erkenntnis einer anderen Meinung offen. Dabei habe ich aus Ihren bisherigen
Ausführungen durchaus deutlich verstanden, dass Sie das aus einem persönlichen
Prinzip heraus auch gar nicht wollen. Und auch hier sage ich erneut explizit,
dass ich diese Haltung ebenfalls okay finde.

Danke für den Artikel, der auch mich als „Konsumentin“ nachdenklich macht. Ich habe mich nur aus seriösen Medien informiert und dadurch versucht, Anteil zu nehmen. Die intensive Berichterstattung hat mich dabei unterstützt, mich nahe zu fühlen. Ich glaube auch, dass viele Journalisten sich um respektvollen Abstand bemüht haben. Um so widerlicher das Verhalten der anderen. Und ich muss feststellen, dass ich trotz Respekt und gebotener Zurückhaltung manches erfahren habe, was mich nun wirklich nichts angeht.
Ich hoffe für euch alle, dass ihr wieder zur Ruhe kommen und all das verarbeiten könnt.

Danke für diesen Text, du schreibst mir aus der Seele. Wir haben in Düsseldorf ähnliches erleben müssen und inzwischen verspüre ich darüber nur noch Wut. Die Lufthansa hat es eigentlich genau richtig gemacht und wollte z.B. die Identität des Captains nicht preisgeben, um die Angehörigen zu schützen. Dann aber tauchte der Name (aus welcher Quelle auch immer) zuerst bei der Bild auf, dann in den internationalen Medien – ungekürzt. Die Folge: Seit letztem Donnerstag täglich Polizeieinsätze, um die Presse auf Distanz zu halten.
Ich war selber mal journalistisch tätig, aber es würde mir im Traum nicht einfallen, bei einer traumatisierten Familie so kurz nach einem Unglück zu klingeln und um ein Interview zu bitten. Zumal – welche journalistische Relevanz soll das denn bitte haben? Welches Interesse besteht denn da für die Öffentlichkeit? Ermittlungen sind Sache der Polizei und alles andere ist Privatsache.

Am Sonntag ist extra ein französisches Kamerateam angerückt, hat die Nachbarn nach der Adresse gefragt, wurde von der Polizei erst verjagd und stellte sich dann doch auf die Straße und hat einige Totalen aufgenommen, bis wir uns dann in den Weg gestellt haben. Auch hier wieder: Was soll das bringen? Für die Öffentlichkeit ist das Bildmaterial völlig unerheblich, für die Anwohner erhöht es die Wahrscheinlichkeit, dass noch mehr unerwünschter Besuch aufschlägt. Ich habe die Presse noch gelobt, als es um den NSA-Skandal ging. Aber wenn es darum geht, selber die Privatsphäre zu wahren: Totalausfall.

Was für mich aber dem Fass den Boden ausschlägt, sind diverse Medienvertreter, die diese Katastrophe nun nutzen, um mit dem Leid der Hinterbliebenen Geld zu verdienen oder politische Agenda zu fahren. Da seien als Beispiele mal der Kopp-Verlag genannt, der das Unglück mit Verschwörungstheorien ausschlachtet oder aber die Emma, die eine zutiefst sexistische Kampagne fährt. Oder eben Faschos, die Desinformation streuen, bei dem Co-Piloten handele es sich um einen Islam-Konvertiten. Einfach nur widerwärtig…

Bei allem Respekt für die Opfer und Angehörigen.aber was habt ihr erwartet.wenn öffentlich getrauert wird muss mann damit rechnen das die Medien präsent sind.Jetzt macht sich hier jemand wichtig damit indem er seinen blog öffentlich macht und über die achso schlimme presse schimpft.da ensteht schnell der Eindruck das Herr Baumeister selbst ein großes bedürfniss hat öffentlich wahrgenommen zu werden.

Die Halterner haben die Medien nicht eingeladen. Wenn Sie schreiben „bei allem Respekt für die Opfer und Angehörigen…“, so muss ich feststellen, dass Sie diesen offenbar nicht besitzen. Auch der Autor des Berichtes hat es sich nicht ausgesucht, dass Lehrer und Mitschüler starben und anschließend einige Journalisten sich böse daneben benahmen – auch wenn die Mehrheit der Pressevertreter fair gearbeitet haben mag.

Natürlich haben die Menschen in Haltern die Presse nicht eingeladen.das haben aber die Menschen in zb Winnenden,die Menschen in Frankreich und auch die Menschen am 9/11 nicht.Und auch bei diesen Ereignissen war sie nunmal da.Sicher ist die Art und Weise mancher Journalisten an Infos zu kommen abstoßend,aber deshalb die Presse zu verteufeln und sich damit selbst Besucher auf den eigenen Blog zu lenken,ist in meinen Augen noch viel geschmackloser.Und davon werden die Toten auch nicht wieder lebendig.

Sorry, aber:
* Wenn Kindern unter 14 angesprochen werden und Geld für Interviews geboten bekommen;
* wenn ein Papparazzi sich eine Seelsorgerweste anzieht, um in den Intimbereich der Trauernden vorzudringen;
* Kameras in Blumensträußen versteckt werden;
* ungefragt ein Eintrag mit dem Namen einer Verstorbenen aus dem Kondolenzbuch fotografiert und veröffentlicht wird und einiges mehr – dann ist es für Betroffene absolut irrelevant, dass sich die meisten Journalisten vor Ort OK benommen haben mögen. Die Halterner nehmen die auswärtigen Reporter in ihrer Gesamtheit als potenzielle Plage wahr. Und Sie haben das Recht dazu.

Der Autor berichtet offenbar wahrheitsgemäß, umfassend und weist anhand von eindeutigen Quellen nach, dass es klare Verstöße gegen den deutschen Pressekodex gegeben hat. Das muss man berichten dürfen, zumal der Autor mitten im Geschehen stand.

Ihn zu beschuldigen, er habe das alles nur geschrieben, um Werbung für seinen Blog zu machen, ist einfach nur töricht: Diejenigen, die die Tragödie und die Betroffenheit in Haltern ausschlachten sind just die, deren Verfehlungen hier – glücklicherweise – so schonungslos geschildert werden. Da ist es unerheblich, dass einige Anschuldigungen gegen Medien pauschal ausfallen: Wertvoll ist die Reportage dennoch. Viele Journalisten haben den Bericht z. B. auf Twitter gelobt und geteilt – eben weil es auch Kollegen in der schreibenden Zunft gibt, denen Berufsethos noch etwas gilt!

Lieber Mika,
du sprichst mir, und warscheinlich auch vielen anderen, aus der Seele! Es ist eine Schweinerei, was die Medien mit den Trauernden und den Schülern der Schule veranstalten.

Ich komme ganz aus der Nähe von Haltern und kann mir nicht einmal annähernd vorstellen, wie schwer das alles für die Trauernden sein muss. Und dann die zusätzliche Belastung durch die Medien. Sowas sollte verboten werden!

Schön und gut, wenn die presse pressefreiheit genießt. allerdings sollte die presse auch wissen wo ihre grenzen liegen und wo das menschenrecht anfängt! Ich ziehe den hut vor deinem blog und finde es einfach nur klasse wie wortgewand du ausdrücken kannst, was die medien für eine Sauerei veranstalten!
Ich hoffe ihr findet bald Ruhe um ungestört Trauern zu können!

Schülerin aus dem Kreis Borken

Lieber Mika,
das ist wundervoll geschrieben, sehr treffend.
Meine Bewunderung dafür und mögen die Infohaie sich endlich der Menschlichkeit bewusst werden.
Großes Dankeschön für diese Worte ich werde deinen Artikel über meinen Facebookaccount teilen.

Lieber Mika, ich ziehe meinen Hut vor Dir. Dein Kommentar heute Morgen im Fernsehen hat mich noch einmal sehr berührt.Du sprichst mir aus der Seele. Es hat mich sowieso lange nichts so sehr erschüttert, wie diese Tragödie. Ich bin selbst Mutter zweier Kinder(28 und 26) u. kann das Leid dieser armen Angehörigen nachempfinden. Ich bin unendlich traurig u. es tut mir wahnsinnig leid, was da passiert ist. Das was da teilweise von den Medien an Fotos immer und immer wieder gezeigt u. verbereitet wird ist einfach nur widerlich u. diese Herrschaften haben keine Funken Respekt und können sich meiner Meinung nach nicht annähernd in die Situation der armen Menschen/Eltern hinein versetzen die eine über alles geliebten Menschen/Kind für immer verloren haben.

Wirklich schlimm das alles zu lesen. Mich wundert, dass die Polizei nicht präsent war um den Schulraum wenigstens ein Stück weit abzuschotten. Man kann nur hoffen, dass dieses Ereignis zum Nachdenken über derart unmenschliche Formen des Journalismus führt und eventuell auch strengere Regeln geschaffen werden.

Schön geschrieben. Das ist leider die Sensationspresse, die mit solchen Sachen versuchen ihre Auflagezahlen zu steigern bzw. die Einschaltquoten zu erhöhen….
In meinen Augen sind solche Sensationsreporter einfach nur Abschaum…
Traurige Grüße aus Hemer nach Haltern und viel Kraft für diese schwere Zeit an die Schüler, Lehrer, Eltern und Angehörigen.

Ich finde es super, wie du hier die Dinge aufarbeitest. Lass dich nicht von alt eingesessenen Medienmachern einschüchtern, die mit deiner offenen Herangehensweise nicht umgehen können.

Ich kenne das schon. Übrigens vepflichtet der Presseausweis zu gar nichts, ich musste jedenfalls nichts unterschreiben.
Und das dubiose Vorgehen kennen wir auch schon. Wir versuchen immer wirklich nicht aufdringlich zu sein, aber wenn einen quasi die eigenen Kollegen behindern(!) und -wie du bereits geschrieben hast- kurz vor die Absperrung rücken, sich als Seelsorger tarnen o.ä. geht das zu weit.

Und noch etwas zu den verschiedenen Sendern: Es ist immer besser selber vor Ort zu sein, nicht zu letzt um einen besseren Überblick über die Situation zu haben, man muss auch keine Gebühren zahlen ;).

Ich weiß nicht zu letzt von wenigen Kollegen wie sie unbedingt an ihre Informationen kommen wollen und das zu jedem Preis!

[…] »Umgang der Medien mit Schülern und Angehörigen in Haltern«: Como se o acidente não fosse triste o bastante, sempre há um agravante nedse tipo de ocorrência: o assédio desrespeitoso dos jornalistas ávidos por qualquer migalha de notícia. É o que critica o post desse garoto, que estuda na mesma escola dos adolescentes e das duas professoras vítimas do acidente. A carta de apelo que ele escreveu para os jornalistas é simplesmente contundente – leia. […]

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